RS Vfgh 1989/6/19 B1739/88

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 19.06.1989
beobachten
merken

Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Verhaftung
VStG 1950 §35 litc
VStG 1950 §36 Abs1
EGVG 1950 ArtIX Abs1 Z1
EGVG 1950 ArtVIII

Leitsatz

Vertretbare Annahme der Anstandsverletzung und Lärmerregung nach ArtVIII EGVG 1950 und der Ordnungsstörung nach ArtIX Abs1 Z1 EGVG 1950 durch laute Zurufe und den Gebrauch von Schimpfworten im Zuge einer Amtshandlung; Verharren in der Fortsetzung der strafbaren Handlungen trotz Abmahnung; keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Festnahme und Anhaltung

Rechtssatz

Die Festnahme und die Anhaltung in Polizeigewahrsam stellen Verwaltungsakte dar, die in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt wurden und die - da ein administrativer Instanzenzug nicht vorgesehen ist - nach Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden können (vgl. zB VfSlg. 10480/1985, 10837/1986).

Vertretbare Annahme des Vorliegens von Verwaltungsübertretungen des ArtVIII EGVG (Anstandsverletzung und Lärmerregung) und des ArtIX Abs1 Z1 EGVG (Ordnungsstörung) durch laute Zurufe und Gebrauch von Schimpfworten im Zuge einer Amtshandlung seitens der - festgenommenen - Beschwerdeführerin; rechtskräftige Verurteilung im - noch anhängigen - Verwaltungsstrafverfahren nicht erforderlich; Verharren der Beschwerdeführerin in strafbaren Handlungen trotz Abmahnung.

Wenn bereits die Festnahme selbst bewirkt, daß der Grund der Festnahme entfällt, wenn also die wegen Verharrens im strafbaren Verhalten festgenommene Person dieses Verhalten gerade infolge der Festnahme einstellt, ist die Rechtsregel des §36 Abs1 VStG nicht wörtlich anzuwenden. Vielmehr ist - dem Sinn des Gesetzes entsprechend - der Festgenommene nur dann vorzeitig zu enthaften, wenn auf Grund besonderer Umstände augenfällig wird, daß er im Fall der Freilassung das strafbare Verhalten nicht wieder aufnehmen wird (vgl. VfSlg. 9368/1982, 11101/1986).

Anhaltspunkte dafür, daß derartige besondere Umstände in diesem Fall vorlagen, haben sich nicht ergeben.

Keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerin.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Festnahme, Lärmerregung, Anstandsverletzung, Ordnungsstörung, Polizeirecht, persönliche Freiheit, Anhaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B1739.1988

Dokumentnummer

JFR_10109381_88B01739_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten