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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Entgeltcharakter der den Beamten des Ruhestandes gewährten Ruhegenüsse - keine Versorgungsleistung; Verminderung des Ruhegenusses aus Anlaß des Bezuges einer Entschädigung für die Ausübung einer politischen Tätigkeit gleichheitswidrigRechtssatz
Die in §14a Abs1 zweiter Satz des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl. 53, idF des Gesetzes LGBl. 15/1985 enthaltenen beiden Wortfolgen "Ruhe- und" werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Es ist sachfremd und widerspricht dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot, wenn der Bezug einer Entschädigung, welche für die Ausübung einer politischen Tätigkeit gewährt wird, zum Anlaß für die Verminderung eines Entgelts (nämlich des dem Ruhestandsbeamten gewährten Ruhegenusses) genommen wird.
Die den Ruhestandsbeamten gewährten Ruhegenüsse besitzen Entgeltcharakter (VfSlg. 3389/1958, 3754/1960, 5241/1966, 8462/1978, VfGH 16.03.1988 G184/87 ua., 17.06.1988 G10/87 und 26.09.1988 G174/88).
Zwischen den für die Gewährung eines Ruhegenusses an den Ruhestandsbeamten maßgeblichen Umständen einerseits und der Ausübung einer kommunalpolitischen Funktion sowie der hiefür gebührenden Entschädigung andererseits läßt sich - wenn man vom Anspruch auf Ruhegenuß und dessen Voraussetzungen ausgeht - kein sachlicher Zusammenhang herstellen. Der dem Gesetzgebungsakt allenfalls zugrundeliegende Gedanke, eine "Doppelversorgung" aus öffentlichen Mitteln zu vermeiden, erweist sich bereits deshalb als nicht tragfähig, weil dem Ruhegenuß eben nicht der Charakter einer Versorgungsleistung zukommt.
Die Prämisse, daß Ruhegenuß und Entschädigung für die kommunalpolitische Amtstätigkeit von derselben Gebietskörperschaft gewährt werden, ist unzutreffend. Daß es aber keineswegs auf die Identität der Gebietskörperschaft, vielmehr nur auf die Gesetzgebungszuständigkeit für das Dienstrecht ankommt, ergibt sich unmittelbar aus §14a Abs1 des Stadtrechtes.
Aus den Willensakten der gesetzgebenden Körperschaft ergibt sich eindeutig, daß sich der sachliche Geltungsbereich des BVG BGBl. 281/1987 über die Begrenzung von Pension oberster Organe nicht (auch) auf Aktivbezüge politischer Funktionäre erstreckt.
Das BVG BGBl. 281/1987 kann auch nicht etwa dahin ausgelegt werden, daß unter "Ruhe- oder Versorgungsbezüge an Organe, die bezügerechtlichen Regelungen des Bundes oder der Länder unterliegen" (weiters) eine solche Pension fällt, die einem derartigen Organ in dessen Eigenschaft als Ruhestandsbeamter gebührt. Dem stünde nämlich der in den Gesetzesmaterialien besonders deutlich zum Ausdruck gebrachte Zweck der Regelung des Verfassungsgesetzgebers entgegen, die den einfachen Gesetzgeber zum Adressaten hat. Sie soll ihm - im Hinblick auf gesetzaufhebende, unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes gefällte Erkenntnisse des Gerichtshofs (insbesondere VfGH 18.03.1987 G255/86 ua.) - die Befugnis einräumen, Anordnungen über das Ruhendstellen sogenannter Politikerpensionen verfassungskonform zu treffen oder beizubehalten.
Der Versuch, die in Prüfung stehende Regelung des §14a Abs1 Innsbrucker Stadtrecht 1975 nach ihrem "wirtschaftlichen Effekt" zu werten, führte zu einem evident sachfremden Ergebnis. Wollte man nämlich annehmen, daß in Wahrheit nicht über den Ruhegenuß, sondern das Ausmaß der Entschädigung für die kommunalpolitische Amtstätigkeit entschieden wird, so hätte die Dienst(Pensions-)behörde des Ruhestandsbeamten, gegebenenfalls sogar die Dienst(Pensions-)behörde einer anderen Gebietskörperschaft als jener, in deren Bereich die politische Amtstätigkeit ausgeübt wird, darüber zu befinden, welche Entschädigung für die kommunalpolitische Funktionsausübung dem Amtsträger zukommen soll. Dazu kommt noch - wenn man den "wirtschaftlichen Effekt" genauer betrachtet - daß die unterschiedlichen Kürzungsmethoden nicht zum gleichen Ergebnis führen: Die Kürzung bei der (Aktiv-)Entschädigung des politischen Amtsträgers bewirkt eine Verminderung der Bemessungsgrundlage des Beitrags zur Pensionsversorgung, wogegen eine solche bei der Kürzung des Ruhebezugs eines Beamten des Ruhestandes voraussetzungsgemäß nicht stattfinden kann.
Der Verfassungsgerichtshof hatte zwar nicht zu beurteilen, ob eine Verminderung der für die politische Amtstätigkeit gebührenden Entschädigung wegen des Zufließens eines Ruhebezugs verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre. Er hält in diesem Zusammenhang jedoch einen Hinweis auf die Entscheidungsgründe seines Erkenntnisses VfSlg. 5307/1966 sowie seines (Abs2 im §14a des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck betreffenden) Erkenntnisses B842/85 vom 03.10.1988 für geboten, in denen Regelungen über die Kürzung von Funktionsentschädigungen unter dem Aspekt eines Diensteinkommens als verfassungsmäßig (bzw. als verfassungsrechtlich unbedenklich) befunden wurden. Unter Bedachtnahme auf den im erstangeführten Erkenntnis beschriebenen Zweck der Entschädigung für die politische Amtstätigkeit sowie die dort dargelegte Bedeutung, welche dem Weiterlaufen von Dienstbezügen bei Bediensteten öffentlich-rechtlicher Körperschaften in einem solchen Zusammenhang zukommt, erschiene dem Gerichtshof - entgegen seiner im Einleitungsbeschluß ausgedrückten Auffassung - eine (obgleich außerhalb des sachlichen Geltungsbereichs des BVG BGBl. 281/1987 stehende) Vorschrift über die Kürzung der Entschädigung wegen des Zufließens eines Ruhebezuges als sachlich begründbar.
(Anlaßfall B808/85 vom 22. Juni 1989 - Aufhebung des Bescheides)
Schlagworte
Bezüge, Dienstrecht, Ruhegenuß, Gleichheitsrecht Gesetz, Organe obersteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:G236.1988Dokumentnummer
JFR_10109379_88G00236_01