RS Vfgh 1989/6/22 B688/88

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Veröffentlicht am 22.06.1989
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Index

37 Geld-, Währungs-und Kreditrecht
37/02 Kreditwesen

Norm

StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung / Eingriff
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung / Gesetz
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung / Verwaltungsakt
KWG 1979 §5 Abs1 Z1

Leitsatz

Verfassungskonforme Interpretation des §5 Abs1 Z1 KWG 1979 im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit dahingehend, daß eine Konzession nur dann zu versagen ist, wenn ihre Erteilung dem volkswirtschaftlichen Interesse entgegenstünde; denkunmögliche Gesetzesanwendung bei Versagung einer Konzessionsausweitung für eine Bank; Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit

Rechtssatz

Mit dem angefochtenen Bescheid wird der beschwerdeführenden Gesellschaft die Erteilung einer Konzession für bestimmte Bankgeschäfte versagt. Ein solcher Bescheid greift in den Schutzbereich des Grundrechts der Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 StGG) ein (vgl. etwa VfSlg. 10932/1986).

Eine Vorschrift, die die Erteilung einer Konzession vom Vorhandensein eines örtlichen Bedarfs nach Erbringung bestimmter Tätigkeiten abhängig macht, greift in die Erwerbsausübungsfreiheit jener Personen ein, die nicht im Besitze einer entsprechenden Berechtigung sind, eine solche aber anstreben. Ein solcher Eingriff behindert den Zugang dieser Personen zu einer Erwerbstätigkeit. Derartige Beschränkungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nur zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, dieser adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (vgl. zB 05.03.1987, G174/86; 01.03.1988, G79/87).

Wie jede Bedarfsprüfung dient auch die im KWG vorgesehene Regelung, daß eine Konzession zu versagen ist, wenn die beabsichtigte Tätigkeit nicht dem örtlichen Bedarf entspricht, dem Konkurrenzschutz bestehender Unternehmungen. Einen solchen Konkurrenzschutz hat der Verfassungsgerichtshof nur dann als mit dem Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit vereinbar angesehen, wenn besondere Gründe für eine derartige Einschränkung sprechen. Solche Gründe sind im Bereich des Kreditwesenrechts aber gegeben. Die Tatsache, daß die Banken ihre Tätigkeiten in einem sogenannten volkswirtschaftlichen Schlüsselbereich ausüben, von dessen Funktionieren weite Teile der Volkswirtschaft abhängig sind, sowie vor allem auch die Tatsache der besonderen Schutzbedürftigkeit der Einleger und sonstigen Gläubiger von Kreditunternehmungen rechtfertigen es, die Erwerbsausübungsfreiheit neuer Bewerber im Interesse des Schutzes bestehender Bankunternehmungen und ihrer Kunden durch die Einrichtung einer Bedarfsprüfung einzuschränken. Denn käme es im Gefolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten etwa zur Zahlungsunfähigkeit eines Bankunternehmens, so hätte dies besonders weitreichende negative Folgen für die Einleger des Instituts, darüber hinaus aber auch für große Bereiche der Volkswirtschaft.

Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er dies zum Anlaß von die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkenden Regelungen genommen hat. Angesichts des besonderen Gewichts der damit verfolgten öffentlichen Interessen ist dem Gesetzgeber auch nicht entgegenzutreten, wenn er sich im Rahmen des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes nicht mit wirtschaftsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen begnügt hat, sondern mit der Einrichtung der objektiven Zugangsschranke der Bedarfsprüfung einen die Erwerbsfreiheit neuer Bewerber sehr stark beschränkenden Schutz bestehender Banken vor Konkurrenz geschaffen hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Vorschrift, die die Erteilung einer Konzession zum Betrieb von Bankgeschäften in der Weise von einem volkswirtschaftlichen Interesse abhängig macht, daß sie versagt werden kann, wenn Gründe des wirtschaftlichen Wohls einer Konzessionserteilung entgegenstehen. Die besondere Situation des Bankensektors - die gerade hier gegebene besondere Schutzwürdigkeit bestehender Unternehmen und deren Kunden - rechtfertigt auch eine derartige Einschränkung. Der Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit eines Konzessionsbewerbers ist nicht unverhältnismäßig, wenn ihm die Konzession dann versagt wird, wenn mit dieser Konzessionserteilung die Verletzung volkswirtschaftlicher Interessen erwartet werden muß.

Die belangte Behörde hat der Bestimmung des §5 Abs1 Z1 KWG einen Inhalt unterstellt, der die Erwerbsausübungsfreiheit eines Konzessionsbewerbers in noch weitergehender, sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränkt: Sie hing der Meinung an, daß eine Konzession nur erteilt werden dürfe, wenn durch die Konzessionserteilung ein volkswirtschaftlicher Nutzen bewirkt wird. Daß eine derartige Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit von Konzessionsbewerbern nicht mehr erforderlich ist, um dem öffentlichen Interesse am Schutz bestehender Bankunternehmungen zu entsprechen, hat die Beschwerde zu Recht aufgezeigt: "Damit wird das Wesen des Art6 StGG in das Gegenteil verkehrt. Nicht mehr die Einschränkungen sind am öffentlichen Interesse zu prüfen, sondern das öffentliche Interesse muß für den Konzessionserwerb gegeben und nachgewiesen sein."

Hätte die Bestimmung des §5 Abs1 Z1 KWG tatsächlich diesen Inhalt, so würde damit in das Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit in unverhältnismäßiger und sachlich nicht zu rechtfertigender Weise eingegriffen werden (vgl. insbesondere VfSlg. 10179/1984). Die oben wiedergegebene Bestimmung läßt sich aber verfassungskonform auch so deuten, daß eine Konzession nur dann zu versagen ist, wenn ihre Erteilung dem volkswirtschaftlichen Interesse entgegenstünde.

Angesichts der Möglichkeit dieser verfassungskonformen Interpretation sah sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. Da die Behörde jedoch diesen verfassungskonformen Gesetzesinhalt verkannt hat und dem Gesetz einen Inhalt beigemessen hat, der es als mit dem Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit unvereinbar erscheinen ließe, hat sie die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt. Der Bescheid war daher aufzuheben.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Kreditwesen, Erwerbsausübungsfreiheit Eingriff, Auslegung verfassungskonforme, Erwerbsausübungsfreiheit Verletzung, Bedarfsprüfung, Konzessionserteilung (Bank), Gesetzesanwendung denkunmögliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B688.1988

Dokumentnummer

JFR_10109378_88B00688_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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