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54 AußenhandelNorm
StGG Art5 / GesetzLeitsatz
Versagung einer Ausfuhrbewilligung für Kupferschrott; Eigentumsbeschränkung; verfassungskonforme Auslegung des §8 Abs1 AußenhandelsG 1984 im Sinn der Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der Abwendung schwerer wirtschaftlicher Schäden; Verletzung des Eigentumsrechtes und des Rechtes auf ErwerbsausübungsfreiheitRechtssatz
Der angefochtene Bescheid (Versagung einer Ausfuhrbewilligung gemäß §8 Abs1 AußenhandelsG) hat privatrechtsgestaltende Wirkung, weil er ein bestimmtes Rechtsgeschäft der beschwerdeführenden Partei unmöglich macht. Er greift sohin in das verfassungsgesetzlich geschützte Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Gesellschaft ein.
Dieser Eingriff in das unter Gesetzesvorbehalt garantierte Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Gesellschaft ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 10.356/1985, 10.482/1985) dann verfassungswidrig, wenn die Verweigerung der Ausfuhrbewilligung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte. Einer denkunmöglichen Anwendung eines Gesetzes ist gleichzuhalten, wenn die Anwendung auf einer verfassungswidrigen Auslegung des Gesetzes beruht, also insbesondere dann, wenn die Behörde dem angewendeten Gesetz einen Inhalt unterstellt, der, hätte ihn das Gesetz, dieses Gesetz - weil das Grundrecht selbst verletzend - verfassungswidrig machen würde. (So zB. VfSlg. 8765/1980, 10.386/1985 - unter Berufung auf Spielbüchler, Grundrecht und Grundrechtsformel, Festschrift Floretta, 1983, 306 f., sowie VfGH B688/88 vom 22.06.1989 zur Erwerbsfreiheit; und VfSlg. 10.700/1985 sowie VfGH B847/87 vom 03.03.1989 zur Meinungsäußerungsfreiheit).
Die Verweigerung der Ausfuhrbewilligung bildet eine Eigentumsbeschränkung.
Die mit der Verweigerung einer Ausfuhrbewilligung verbundene Eigentumsbeschränkung ist gemäß dem zweiten Absatz des Art1 des
1. ZP zur MRK nur "in Übereinstimmung mit dem Allgemeininteresse" zulässig (VfSlg. 9911/1983). In verfassungskonformer Auslegung des §8 Abs1 AußenhandelsG 1984 kann es sich sohin bei den "schweren wirtschaftlichen Schäden", die durch Verweigerung einer Ausfuhrbewilligung abgewendet werden sollen, nur um solche handeln, deren Vermeidung im Allgemeininteresse liegt, die sohin gesamtwirtschaftlicher Natur sind. Bereits in VfSlg. 1853/1949 hat der Verfassungsgerichtshof formuliert, "daß ein Gesetz mit der Verfassung in Widerspruch geraten würde, wenn es eine Entziehung oder Schmälerung des Eigentums zu einem Zwecke zulassen würde, der nicht dem öffentlichen Wohle, sondern nur dem Interesse eines einzelnen oder einer Personengruppe entspricht." Eine Auslegung des §8 Abs1 AußenhandelsG 1984, die eine Verweigerung einer Ausfuhrbewilligung lediglich im "Interesse eines einzelnen" und damit zu Lasten des verfassungsgesetzlich geschützten Eigentumsrechtes eines anderen zuläßt, widerspricht mithin dem Eigentumsrecht gemäß Art5 StGG und Art1 Abs1 des 1. ZP zur MRK.
Zwar mag es auf Grund des §8 Abs1 AußenhandelsG ausnahmsweise zulässig sein, ein bestimmtes inländisches Unternehmen aus gesamtwirtschaftlichen Gründen, sohin im Allgemeininteresse zu Lasten anderer wirtschaftlicher Unternehmungen vor "schweren wirtschaftlichen Schäden" zu bewahren (vgl. etwa den VfSlg. 10.275/1984 zugrundeliegenden Sachverhalt). Für den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt hat die belangte Behörde aber nicht einmal den Versuch unternommen, ein derartiges gesamtwirtschaftliches Interesse auszumachen.
Versagung einer Ausfuhrbewilligung für Kupferschrott gemäß §8 Abs1 AußenhandelsG; Verletzung des Eigentumsrechtes und der Erwerbsausübungsfreiheit, da die belangte Behörde §8 Abs1 AußenhandelsG 1984 in seiner verfassungskonformen, das Allgemeininteresse an der Abwendung schwerer wirtschaftlicher Schäden berücksichtigenden Bedeutung verkannt hat.
Schlagworte
Außenhandel, Eigentumsbeschränkung, Auslegung verfassungskonforme, Erwerbsausübungsfreiheit Eingriff, Allgemeininteresse, EigentumseingriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1160.1988Dokumentnummer
JFR_10109378_88B01160_01