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L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Vorschreibung von Sondergebühren ohne Vorliegen einer Gegenleistung, nämlich der Unterbringung des Patienten in einem Zimmer der Sonderklasse; gleichheitswidrige Auslegung des Wr. KAG 1987Rechtssatz
Die gesetzlichen Regelungen des Wr. KAG 1987, (siehe insbesondere §§32, 45) machen deutlich, daß ausschließlich die gegenüber sonstigen Patienten unterschiedliche Unterbringung (Ausstattung und Lage der Räume) von Patienten der Sonderklasse Grundlage für die Pflicht zur Zahlung von Sondergebühren ist. Der Verpflichtung der Patienten der Sonderklasse zur Zahlung der Sondergebühren steht als Leistung ihre Unterbringung in eigens hiefür nach Lage und Ausstattung vorgesehenen Räumen gegenüber. Das Gesetz geht also von interdependenten Leistungen aus (zum unmittelbaren Zusammenhang öffentlich-rechtlicher Entgelte mit den Leistungen, für die sie zu erbringen sind vgl. insbesondere VfSlg. 3389/1958 und 3754/1960; siehe aber auch VwSlg. 7735 A/1970).
In der unterschiedlichen Unterbringung der Patienten der Sonderklasse findet - vor dem Hintergrund, daß die medizinische Versorgung von Patienten der Sonderklasse und der Gebührenklasse gleichwertig sein muß (jede andere Auffassung wäre kraß unsachlich) - die Einhebung von Sondergebühren ihre einzige Rechtfertigung. Eine Auffassung, die dem Gesetz einen Inhalt beimißt, nach dem eine Vorschreibung von Sondergebühren ohne Vorliegen einer Gegenleistung zulässig wäre, ist daher gleichheitswidrig; ließe der Wortlaut der Bestimmungen des Wr. KAG eine solche Auslegung zu, würde mit dieser dem Gesetz ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt.
Dem angefochtenen Bescheid liegt eine - dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellende - Auslegung zugrunde, weil er sich überhaupt nicht mit der Frage befaßt, ob die Räume, in denen der Beschwerdeführer untergebracht war, sich nach Ausstattung und Lage von den Patientenzimmern der allgemeinen Gebührenklasse unterschieden. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob auch Patienten der allgemeinen Gebührenklasse (möglicherweise aus Bettenmangel) in den Räumen, in denen der Beschwerdeführer lag, untergebracht waren, sondern darauf, ob der Beschwerdeführer in Räumen der Sonderklasse untergebracht war. Keine ausreichende Begründung für die Einhebung von Sondergebühren ist es, daß der Beschwerdeführer die Aufnahme in die Sonderklasse beantragt hatte; dies ist vielmehr lediglich die Voraussetzung dafür, daß eine Verrechnung von Sondergebühren überhaupt zulässig sein kann.
Das Wr. KAG 1987 (insbesondere §§32, 45) erlaubt - verfassungskonform ausgelegt - nicht die Vorschreibung von Sondergebühren, wenn und solange die öffentliche Krankenanstalt eine Versorgung nur in Räumen der allgemeinen Gebührenklasse anbieten kann. Da die belangte Behörde somit eine Vorschreibung von Sondergebühren ohne Vorliegen einer Gegenleistung - nämlich der Unterbringung in Zimmern der Sonderklasse - für zulässig erachtete, hat sie dem Gesetz einen Inhalt unterstellt, der es, träfe die Auslegung zu, mit Gleichheitswidrigkeit belasten würde.
Schlagworte
Krankenanstalten, Sondergebühren, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1973.1988Dokumentnummer
JFR_10109377_88B01973_01