Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung einer gegen einen Gerichtsbeschluss gerichteten Eingabe sowie von gegen das VerbotsG und gegen das GOG gerichteten Anträgen; keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Überprüfung von Akten der Gerichtsbarkeit, zur Behandlung von Strafanzeigen gegen Richter und Sachverständige sowie zur Überprüfung des Verbotsgesetzes; zumutbarer Umweg zur Anregung von Gesetzesprüfungsverfahren teils bereits beschrittenSpruch
Die Eingabe wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. In seiner am 22.12.2003 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten und zur Z B1770/03 protokollierten Eingabe beantragt der Einschreiter eine ersatzlose Aufhebung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 5.8.2003, AZ 11 Os 81/03, wegen "Verletzung der Menschenrechte". Der Einschreiter beantragt des Weiteren die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend das VerbotsG 1947, die in der Strafprozessordnung enthaltenen Bestimmungen über die Beigebung eines Pflichtverteidigers sowie in Bezug auf §91 GOG. Schließlich erhebt der Einschreiter "Strafanzeige" gegen einzelne Richter, Beamte und Sachverständige. Auch die weiteren detaillierten Anträge stehen im Zusammenhang mit der gegen den Einschreiter wegen des Verbrechens nach §3g VerbotsG 1947 beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 20m Hv 8028/94/97 geführten Strafsache.
2.1. Im angeführten Strafverfahren hatte der Einschreiter am 5.11. sowie am 6. und 8.12.2002 Fristsetzungsanträge (§91 GOG) gestellt, welchen das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 12.5.2003, AZ 17 Fs 2/03, den Erfolg versagt hatte. Mit dem nunmehr bekämpften Beschluss vom 5.8.2003, AZ 11 Os 81/03, wies der Oberste Gerichtshof die Eingabe des Einschreiters vom 5.6.2003, die sich gegen die genannte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien wendet sowie verschiedene Anträge betreffend das in Rede stehende Strafverfahren enthält, zurück.
Weder Art144 B-VG noch andere Rechtsvorschriften räumen dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen - so auch des zitierten Beschlusses des Obersten Gerichtshofes - ein (VfGH 22.9.2003 B1076/03).
2.2. Aber auch für eine Erledigung von mit derselben Eingabe des Einschreiters erstatteten Strafanzeigen gegen einzelne Richter, Beamte und Sachverständige fehlt dem Verfassungsgerichtshof jede Zuständigkeit (VfGH 22.9.2003 E1/03).
2.3. Dasselbe gilt auch für den Antrag auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend das VerbotsG 1947. Dem Vorbringen ist hier in erster Linie entgegenzuhalten, dass es sich bei diesem Gesetz selbst um ein Bundesverfassungsgesetz handelt (s. VfSlg. 15.334/1998 mwN).
2.4. Die Eingabe war daher insoweit wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.
3.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist (Individualantrag).
3.2. Selbst bei einer Deutung der in Rede stehenden Anträge auf Einleitung von Gesetzesprüfungsverfahren betreffend die in der Strafprozessordnung enthaltenen Bestimmungen über die Beigebung eines Pflichtverteidigers sowie in Bezug auf §91 GOG als Individualanträge iSd Art140 Abs1 letzter Satz B-VG wäre der Eingabe - auf Grund des Charakters eines Individualantrages als bloß subsidiärer, gleichsam Lücken schließender Rechtsbehelf - kein Erfolg beschieden. Nicht jedem Normadressaten kommt nämlich diese Antragsbefugnis zu. Es ist (wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur - zB VfSlg. 16.060/2000 - darlegt) erforderlich, dass dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit zur Verfügung steht.
Ein solcher zumutbarer Weg wird nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ua. dann eröffnet, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, das dem Betroffenen Gelegenheit gibt, die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen (s. zB VfSlg. 13.871/1994). Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG sind sowohl der Oberste Gerichtshof als auch jedes zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständige Gericht zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet, sofern sie gegen die Anwendung eines Gesetzes verfassungsrechtliche Bedenken hegen (s. zB VfSlg. 11.480/1987; VfGH 23.2.2004 G239/03).
Der Antragsteller konnte (jedenfalls) in den Verfahren AZ 11 Os 81/03 vor dem Obersten Gerichtshof (s. Pkt. 2.1.) und im Verfahren AZ 17 Fs 2/03 des Oberlandesgerichtes Wien eine amtswegige Antragstellung auf Prüfung der von ihm als verfassungswidrig erachteten gesetzlichen Bestimmungen anregen, was im Übrigen im Hinblick auf §91 GOG auch tatsächlich geschehen ist. Auf die Erfolgsaussichten eines solchen Umweges kommt es dabei nicht an (VfSlg. 15.260/1998).
3.3. Der Antrag war daher insoweit schon mangels Legitimation des Einschreiters als unzulässig zurückzuweisen.
4. Insgesamt war spruchgemäß zu entscheiden.
5. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 Z2 lita und e VfGG).
Schlagworte
Auslegung eines Antrages, Bescheidbegriff, Gerichtsakt, Gericht Organisation, Nationalsozialistengesetzgebung, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1770.2003Dokumentnummer
JFT_09959372_03B01770_00