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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtLeitsatz
Gesetzliche Ermächtigung an die Verwaltung zur Erlassung von Bodenmarkierungen als an die Allgemeinheit gerichtete Gebote und Verbote unter gleichzeitigem Ausschluß ihrer Qualität als förmliche Verordnung; wegen Widerspruchs zu Art18 B-VG und Art139 B-VG verfassungswidrigRechtssatz
§55 Abs8 StVO 1960 idF der 13. StVO-Novelle, BGBl. 105/1986, ist verfassungwidrig. Die Bestimmung widerspricht dem aus Art18 Abs2 iVm Art139 B-VG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot, von der Verwaltung gesetzte und mit allgemeiner Verbindlichkeit ausgestattete Normen als Verordnungen zu erlassen.
Nach dem zweifelsfreien Willen des Gesetzgebers, wie er in §55 Abs8 StVO 1960 zum Ausdruck gelangt, liegen nämlich Bodenmarkierungen durchwegs keine von der Behörde erlassenen Verordnungen zugrunde, gleichgültig ob sich an die Bodenmarkierung nach dem Willen des Gesetzgebers ein Gebot oder Verbot knüpft oder nicht.
Wenn sowohl aufgrund des Wortlauts als auch nach der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes diesem ein eindeutig bestimmter Sinn zuzumessen ist, so scheidet eine gegenteilige, sei es auch verfassungskonforme Deutung des betreffenden Gesetzes aus (vgl. zB. VfSlg. 11036/1986). Angesichts des eindeutigen Sinngehalts des §55 Abs8 StVO 1960, dessen Erlassung durch die 13. StVO-Novelle, BGBl. 105/1986, ansonsten überhaupt überflüssig gewesen wäre, können sohin Bodenmarkierungen nicht als Verordnungen verstanden werden.
Im Wege des §55 Abs8 StVO 1960 hat der Gesetzgeber mit den als Bodenmarkierungen in Erscheinung tretenden, insofern symbolhaft ausgedrückten - und in diesem Sinne "kundgemachten" - Zeichen die Erlassung von Normen durch die Verwaltung geregelt und ihnen gleichwohl die Qualität von Verordnungen genommen. Er hat damit die Verfassungsvorschrift des Art18 Abs2 B-VG verletzt, wonach Verwaltungsbehörden die von ihnen erzeugten, an die Allgemeinheit gerichteten Gebote und Verbote als Verordnungen zu erlassen haben. Darüber hinaus wird durch eine derartige gesetzliche Regelung auch der verfassungsrechtliche Rechtsschutzauftrag des Verfassungsgerichtshofes nach Art139 B-VG in unzulässiger Weise beeinträchtigt: Dem vom Verfassungsgesetzgeber gemäß Art139 B-VG mit dem Monopol der Verordnungskontrolle ausgestatteten Verfassungsgerichtshof wird dadurch verwehrt, von der Verwaltung erzeugte und an die Allgemeinheit gerichtete Gebote und Verbote zu überprüfen und im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit mit allseitiger Wirkung aufzuheben.
(Anlaßfall: E v 02.10.89, B112/88)
Entscheidungstexte
Schlagworte
Straßenpolizei, Bodenmarkierungen, Verordnungsbegriff, Verordnung Kundmachung, Rechtsstaatsprinzip, Verordnungsprüfung, AuslegungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:G52.1989Dokumentnummer
JFR_10109072_89G00052_01