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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt / Willkür keineLeitsatz
Übermittlung einer "Liste von Demonstranten" als Teil eines dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gemäß §20 Abs2 VfGG übermittelten Verwaltungsaktes; Abweisung der Beschwerde durch die Datenschutzkommission; Verpflichtung zur Vorlage aller den Gegenstand betreffenden Verwaltungsakten in vollem Umfang in Einklang mit §1 Abs2 DSG iVm. Art8 Abs2 MRK; keine Verletzung im Grundrecht auf Datenschutz; keine Verletzung des GleichheitsrechtesRechtssatz
Die Entscheidungen der Datenschutzkommission unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg (§36 Abs3 DSG). Ein Instanzenzug kommt also nicht in Betracht.
Der Verfassungsgerichtshof hält es für zweckmäßig, zunächst zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im - von ihm nicht geltend gemachten, jedoch in seiner Beschwerde an die belangte Behörde relevierten - Grundrecht auf Datenschutz (§1 Abs1 DSG) verletzt wurde (zur Befugnis des Verfassungsgerichtshofes, in Verfahren über eine Beschwerde nach Art144 B-VG zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten Recht verletzt wurde, vgl. etwa VfSlg. 6866/1972, 6868/1972, 7221/1973).
Der durch §1 Abs2 zweiter Satz DSG normierte Vorrang der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten schließt das Gebot in sich, sowohl die Voraussetzungen, die iS der Ermächtigung des §1 Abs2 erster Satz DSG gesetzliche Beschränkungen des Grundrechtes auf Datenschutz zu rechtfertigen vermögen, als auch die zufolge dieser Ermächtigung erlassenen, das Grundrecht beschränkenden Rechtsvorschriften restriktiv auszulegen. Dem Gesetzgeber erwächst daraus die Verpflichtung, derartige Rechtsvorschriften inhaltlich so zu gestalten, daß die Beschränkung des Grundrechtes zur Erreichung des von ihm angestrebten - iSd §1 Abs2 erster Satz DSG zulässigen - Zieles erforderlich und geeignet ist und zu ihm in einem angemessenen Verhältnis steht (vgl. zu all dem etwa Matzka/Kotschy, Datenschutzrecht für die Praxis, Kommentar zu §1 DSG, S 7; Funk, Marktforschung und Datenschutz, ÖBl 1987, S 1 ff, hier S 5; Duschanek, Datenschutzrechtliche Schranken der Publizität umweltrelevanter Betriebsdaten, RdW 1988, S 310).
Die Verfassungsbestimmung des §1 Abs2 DSG ermächtigt somit den einfachen Gesetzgeber, Beschränkungen des durch §1 Abs1 DSG gewährleisteten Grundrechtes auf Datenschutz vorzusehen, setzt aber seiner Regelung zugleich insofern inhaltliche Grenzen, als solche Beschränkungen (unter anderem) aus den in Art8 Abs2 MRK angeführten Gründen vorgesehen werden dürfen.
Im vorliegenden Fall ist an der Geheimhaltung der hier relevanten Daten (Name, Geburtsdatum, Wohnort) iS des §1 Abs1 DSG ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen anzunehmen (vgl. dazu auch den Hinweis bei Matzka/Kotschy, aaO, Kommentar zu §1 DSG, S 4 ff., hier S 6). Da es sich um (automationsunterstützt) "verarbeitete" Daten handelt, ist die Zulässigkeit ihrer Übermittlung an den Verfassungsgerichtshof nach §7 Abs2 DSG zu beurteilen.
§7 Abs2 DSG steht, soweit sich aus ihm die Zulässigkeit der Übermittlung schutzwürdiger personenbezogener Daten in Verfahren über Beschwerden nach Art144 Abs1 B-VG aus den den Gegenstand betreffenden Verwaltungsakten an den Verfassungsgerichtshof durch die belangte Behörde ergibt, mit §1 Abs2 DSG iVm Art8 Abs2 MRK im Einklang.
§7 Abs2 DSG erweist sich, soweit er die Übermittlung personenbezogener Daten, an deren Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse besteht, im Zuge der Vorlage der den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens betreffenden Verwaltungsakten durch die belangte Behörde an den Verfassungsgerichtshof zuläßt, auch als eine Vorschrift, die iSd Art8 Abs2 MRK in einer demokratischen Gesellschaft (vgl. dazu VfSlg. 6288/1970, S 692) "zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer", nämlich des - Rechtsschutz suchenden - Beschwerdeführer, notwendig ist.
Da §20 Abs2 VfGG keine entsprechende Einschränkung enthält, ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde danach zur Vorlage aller den Gegenstand betreffenden Verwaltungsakten in vollem Umfang verpflichtet ist. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit (auch) des §20 Abs2 VfGG aus der Sicht des §1 Abs2 DSG iVm Art8 Abs2 MRK ergibt sich aus den iZm §7 Abs2 DSG dargelegten Gründen.
Die belangte Behörde hat daher mit ihrer Auffassung, daß sie in einem Verfahren nach Art144 Abs1 B-VG zur Vorlage aller den Gegenstand betreffenden Verwaltungsakten in vollem Umfang (also einschließlich allfälliger Schriftstücke mit schutzwürdigen personenbezogenen Daten) an den Verfassungsgerichtshof verpflichtet ist, bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften - aus der Sicht des §1 Abs2 DSG (insbesondere) iVm Art8 Abs2 MRK - verfassungskonform ausgelegt. Der Beschwerdeführer ist mithin durch den bekämpften Bescheid nicht im Grundrecht auf Datenschutz verletzt worden.
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht.
Schlagworte
VfGH / Instanzenzugserschöpfung, VfGH / Prüfungsmaßstab, Datenschutz, VfGH / VorverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1740.1988Dokumentnummer
JFR_10109070_88B01740_01