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36 WirtschaftstreuhänderNorm
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz / Verletzung keineLeitsatz
Erfordernis der hauptberuflichen Tätigkeit bei Wirtschaftstreuhändern als Voraussetzung für die Anerkennung als Berufsanwärter sachlich gerechtfertigt; kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit und die BerufsausbildungsfreiheitRechtssatz
Es ist sachlich gerechtfertigt und bewirkt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) und die Berufsausbildungsfreiheit (Art18 StGG), wenn das Gesetz vorsieht, daß nur solche Personen Berufsanwärter sein und als solche die notwendige Praxiszeit erwerben können, die sich durch ihre Tätigkeit bei einem Wirtschaftstreuhänder vorwiegend der Berufsvorbereitung auf den Wirtschaftstreuhänderberuf widmen. Das öffentliche Interesse an einer guten und eingehenden Ausbildung zu diesem für das Wirtschaftsleben wichtigen Beruf, der angesichts der Dichte der wirtschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Regelungen besondere Kenntnisse und Erfahrungen erfordert, mag eine derartige Einschränkung nicht verlangen, rechtfertigt sie aber. Auch geht der Gesetzgeber von einer erlaubten Durchschnittsbetrachtung aus, wenn er annimmt, daß sich Personen, die die Tätigkeit als Berufsanwärter neben einem anderen Hauptberuf ausüben, nicht in gleichem Ausmaß der Berufsvorbereitung werden widmen können, wie Personen, die als Berufsanwärter bei einem Wirtschaftstreuhänder vorwiegend Tätigkeiten ausüben, die direkt dem Erwerb der Erfahrungen und Kenntnisse des Wirtschaftstreuhänderberufs dienen. Der Gesetzgeber konnte dabei auch davon ausgehen, daß Personen, die zwar weniger als die übliche Arbeitszeit bei einem Wirtschaftstreuhänder tätig sind, aber diese Tätigkeit hauptberuflich ausüben, wenn und insoweit eine umfassende Ausbildung gewährleistet ist, als Berufsanwärter (mit entsprechend längerer Praxiszeit) tätig sein können, nicht aber jene Personen, die ebenfalls nur einen Teil ihrer Zeit in einer Wirtschaftstreuhänderkanzlei arbeiten, dies aber neben der vollen Belastung in einem anderen (Haupt-)Beruf tun.
Die Beschränkung des §19 WT-BO, derzufolge nur eine hauptberuflich bei einem Wirtschaftstreuhänder tätige Person Berufsanwärter sein kann, ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Gesetzgeber hat durch §10 WT-BO gewisse Anrechnungsmöglichkeiten geschaffen und es kann ihm aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er eine bestimmte Zeit der Praxis im angestrebten Beruf selbst für erforderlich hält und dafür eine - im Effekt zweieinhalbjährige - nicht substituierbare Praxis als Berufsanwärter vorsieht.
Schlagworte
Wirtschaftstreuhänder, Berufsrecht, Berufsausbildungsfreiheit, Erwerbsausübungsfreiheit EingriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1207.1988Dokumentnummer
JFR_10109070_88B01207_01