RS Vfgh 1989/9/30 V6/89

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Veröffentlicht am 30.09.1989
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2 / Verordnung Verfahren gesetzwidrig
B-VG Art116 Abs1
B-VG Art118 Abs3 Z9
B-VG Art118 Abs4
B-VG Art119 Abs4
B-VG Art130 Abs2
B-VG Art119a
B-VG Art148e
B-VG Art148i Abs1
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Adnet vom 25. April 1985
Sbg RaumOG 1977 §12 Abs1 Z4
Sbg RaumOG 1977 §24 Abs2

Leitsatz

Aufhebung von Teilen eines Flächenwidmungsplanes wegen Nichtwahrnehmung des Planungsermessens durch die Gemeinde; verfassungswidrige Annahme einer Bindung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde und des Planungsfachbeirates; Verstoß gegen die Selbstverwaltungsgarantie

Rechtssatz

In sinngemäßer Anwendung des Art148 e B-VG ist der Verfassungsgerichtshof auch zuständig, auf Antrag der Volksanwaltschaft über die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung zu erkennen, die dem Land Salzburg zuzurechnen ist.

Die Erlassung des Flächenwidmungsplanes als eine Angelegenheit der örtlichen Raumplanung fällt in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Die Gemeinde hat somit die Flächenwidmungsplanung "im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen" (Art118 Abs4 B-VG) zu besorgen. Daher ist es verfassungsrechtlich ausgeschlossen, daß das Land auf den Inhalt eines Flächenwidmungsplanes Einfluß nimmt, soweit es nicht im Wege des Aufsichtsrechts gemäß Art119 a B-VG die Rechtmäßigkeit der örtlichen Raumplanung und unter Umständen auch die Durchsetzung überörtlicher Interessen (vgl. VfGH vom 05.03.1988, B890/86) sicherzustellen hat. Insbesondere ist der Gemeinde verfassungsgesetzlich die Ausübung des ihr in Angelegenheiten der "örtlichen Raumplanung" durch das jeweilige RaumplanungsG eingeräumten Planungsermessens (Korinek, Rechtliche Probleme der Anwendung von Raumordnungsgesetzen, 1975, 16 ff., 32 f.; Fröhler-Oberndorfer, Österreichisches Raumordnungsrecht, 1975, 33 f.; vgl. zum Planungsermessen auch VfSlg. 10839/1986, 11374/1987) in eigener Verantwortung - ohne Einflußnahme überörtlicher Behörden - gewährleistet.

Im vorliegenden Fall war es Aufgabe der örtlichen Raumplanung der Gemeinde Adnet, gemäß §24 Abs12 Sbg. RaumOG 1977 als gemischtes Baugebiet gewidmete Grundflächen "in Gebiete einer diesem Gesetz entsprechenden Widmung aufzulösen". Wie sich nicht zuletzt dem letzten Satz dieser Bestimmung entnehmen läßt (- wonach in den gemischten Baugebieten bis zu deren Auflösung mit bestimmten Ausnahmen Bauten gemäß §12 Abs1 Z1 bis 5 Sbg. RaumOG 1977 zulässig sind -), kommen als neue Widmungen für die antragsgegenständlichen Liegenschaften sowohl die ursprüngliche von der Gemeindevertretung am 25.04.1985 festgelegte Widmung als "erweitertes Wohngebiet" gemäß §12 Abs1 Z2 Sbg. RaumOG 1977 als auch die nunmehr geltende, auf dem Beschluß der Gemeindevertretung vom 09.05.1986 beruhende Widmung als "Gewerbegebiet" gemäß §12 Abs1 Z4 Sbg. RaumOG 1977 in Betracht. Es oblag dem wohlerwogenen Ermessen der Gemeindevertretung, entweder die eine oder die andere Widmung festzulegen. Als gesetzliche Richtlinie für die Ausübung dieses Planungsermessens hatte sie dabei sowohl die Vorschrift des §12 Abs4 Sbg. RaumOG 1977 (demzufolge bei unterschiedlichen Widmungen im Bauland eine gegenseitige Beeinträchtigung oder Gefährdung der Gebiete möglichst vermieden werden soll), als auch die Übergangsbestimmung des §24 Abs1 Sbg. RaumOG 1977 (derzufolge bei der Festlegung von Nutzungsarten für zumindest teilweise verbaute Gebiete die der Hauptsache nach bestehenden widmungsmäßigen Verhältnisse zu berücksichtigen sind) gehörig zu berücksichtigen.

Der Gesetzgeber hat diesbezüglich in verfassungsrechtlich zulässiger Weise (vgl. etwa für Bescheide Art130 Abs2 B-VG) von einer rechtlichen Bindung der Verwaltungsbehörde abgesehen und die planerische Entscheidung dem iSd Gesetzes zu übenden Ermessen der Verwaltungsbehörde, also der Gemeindevertretung Adnet, überlassen.

Die Gemeindevertretung ist von ihrem ursprünglichen Beschluß vom 25.04.1985 (demzufolge die antragsgegenständlichen Grundstücke als erweitertes Wohngebiet gewidmet wurden) in ihrem Beschluß vom 09.05.1986 mit der Widmung der antragsgegenständlichen Grundstücke Nr. 984/6 und 984/7, KG Spumberg, als "Gewerbegebiet" ohne zureichende Begründung abgewichen. Sie wollte damit lediglich der Meinung des Planungsfachbeirates und letztlich der Salzburger Landesregierung Rechnung tragen, wie aus ihrem Beschluß vom 25.09.1986 hervorgeht, mit dem ausdrücklich die Entscheidung der Landesregierung hinsichtlich der Gewerbegebietsausweisung verlangt wird. Eigenständige Überlegungen zur Abwägung entgegenstehender Interessen an der Widmung der fraglichen Liegenschaften hat die Gemeindevertretung nicht angestellt.

Die Gemeindevertretung Adnet hat das der Gemeinde gemäß Art118 Abs3 Z9 B-VG als Ausfluß der "örtlichen Raumplanung" verfassungsgesetzlich gewährleistete, durch das Sbg. RaumOG 1977 eingeräumte Planungsermessen nicht wahrgenommen. Schon die Annahme rechtlicher Bindung einer Behörde in einem Bereich, in dem ihr die Rechtsordnung Ermessen eingeräumt hat, macht einen Verwaltungsakt rechtswidrig, weil dadurch zwangsläufig die für die Übung des Ermessens iSd Gesetzes notwendigen Überlegungen und Abwägungen von der Behörde vernachlässigt werden.

Die Gemeinde hat auch gegen die ihr gemäß Art118 Abs3 Z9 B-VG iVm Art116 Abs1 und Art118 Abs4 B-VG verfassungsgesetzlich eingeräumte Selbstverwaltungsgarantie mit dem Verweis auf die Entscheidungsbefugnis der Landesregierung dadurch verstoßen, daß sie nicht bereit war, "in eigener Verantwortung" (Art118 Abs4 B-VG) die ihr verfassungsrechtlich vorbehaltene Planungsentscheidung zu treffen. Vielmehr hat die Gemeindevertretung, wie dies in ihrem Beschluß vom 25.09.1986 besonders deutlich zum Ausdruck gelangt, ihre Entscheidungsbefugnis in der Sache überörtlicher Stellen, nämlich dem Planungsfachbeirat und letztlich der Sbg. Landesregierung überlassen, und sich darauf beschränkt, ohne eigene Planungsüberlegungen deren Willensäußerungen entsprechende Beschlüsse zu fassen.

Gemäß Art139 Abs1 B-VG wird der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Adnet vom 25.04.1985 idF der Beschlüsse der Gemeindevertretung Adnet vom 09.05.1986, 25.09.1986 und 26.03.1987, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 06.08. bis 21.08.1987, insoweit er für die Grundstücke Nr. 984/6 und 984/7, KG Spumberg, die Widmung "Gewerbegebiet" ausweist, als gesetzwidrig aufgehoben.

Entscheidungstexte

  • V 6/89
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 30.09.1989 V 6/89

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, Volksanwaltschaft, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Raumplanung örtliche, Flächenwidmungsplan, Ermessen, Planungsermessen, VfGH / Prüfungsmaßstab, Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde, Aufsichtsrecht (Gemeinde)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:V6.1989

Dokumentnummer

JFR_10109070_89V00006_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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