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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abstellen eines Kraftfahrzeuges ohne polizeiliches Kennzeichen auf einer Gemeindestraße; keine Bedenken aus kompetenzrechtlicher Sicht gegen die Regelung einer Gebrauchserlaubnis für eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung von Verkehrsflächen der Gemeinde durch den Landesgesetzgeber; akzessorische Natur der Verwaltungsstrafbestimmungen; keine Verletzung durch Anwendung einer verfassungswidrigen Norm infolge Bestrafung nach §16 Abs2 Wr. GebrauchsabgabeG 1966; keine Bedenken - insbesondere nicht im Hinblick auf das Gleichheitsgebot - gegen die Bedrohung eines Verhaltens als strafbar durch mehrere RechtsvorschriftenRechtssatz
Über einen Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist mit Bescheid abzusprechen (siehe §2 Abs4 und §11 Abs1 Wr. GebrauchsabgabeG; vgl. auch VfSlg. 8034/1977. Die Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist somit ein Akt der Hoheitsverwaltung. Ein Bescheid, mit dem eine Gebrauchserlaubnis erteilt wird, verleiht demnach die Befugnis zu einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung einer (öffentlichen) Verkehrsfläche einer Gemeinde.
Gegenstand der Regelung des §1 Abs1 Wr. GebrauchsabgabeG ist somit eine den Gemeingebrauch in qualitativer Hinsicht dadurch überschreitende Benützung von Verkehrsflächen der Gemeinde, daß sie ihrer Art nach von dem durch die Widmung der Verkehrsflächen eröffneten Gemeingebrauch abweicht, mithin eine "über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung", deren gesetzliche Regelung iSd Erkenntnisses VfSlg. 4605/1963 in Art15 Abs1 B-VG ihre kompetenzrechtliche Grundlage hat.
Es handelt sich beim Abstellen von Fahrzeugen ohne Kennzeichen insbesondere nicht um ein Parken von Fahrzeugen iSd §2 Abs1 Z28 StVO 1960 (dessen Regelung, wie im Erkenntnis VfSlg. 3340/1958 ausgeführt, unter den Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" fällt).
§1 Abs1 Wr. GebrauchsabgabeG ist somit keineswegs als eine dem Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" (Art11 Abs1 Z4 B-VG) zuzuordnende und daher vom Landesgesetzgeber unzuständigerweise erlassene Regelung verfassungswidrig.
Eine gesetzliche Vorschrift, die - wie die hier maßgebliche Vorschrift des §2 Abs2 Wr. GebrauchsabgabeG - eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Art der Benützung von Verkehrsflächen zur Gewährleistung einer bestimmten Form des Gemeingebrauches an solchen Verkehrsflächen, nämlich des Parkens von Fahrzeugen als einer Form des ruhenden Verkehrs einschränkt, ist als eine Regelung anzusehen, die die über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung der Straßen und die Sicherung des Gemeingebrauches daran zum Gegenstand hat und die daher, soweit sie andere als Bundesstraßen betrifft, im Lichte des Erkenntnisses VfSlg. 4605/1963 gemäß Art15 Abs1 B-VG in die Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit der Länder fällt. Sie dient der Ermöglichung einer bestimmten Art des Gemeingebrauches (nämlich des Parkens von Fahrzeugen) einer bestimmten Art von Verkehrsflächen durch Hintanhaltung einer entgegenstehenden Sondernutzung, nicht aber der Sicherheit und Leichtigkeit dieses Gemeingebrauches.
An dieser kompetenzrechtlichen Beurteilung der hier relevanten Vorschriften des §2 Abs2 Wr. GebrauchsabgabeG vermag der Umstand nichts zu ändern, daß das "Aufstellen von Kraftfahrzeugen oder Anhängern ohne Kennzeichentafeln" (§82 Abs2 und 5, §83 StVO 1960) auch Gegenstand einer bundesgesetzlichen, auf den Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" (Art11 Abs1 Z4 B-VG) gestützten Regelung unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs sein kann (vgl. dazu insbesondere VfSlg. 5619/1967).
Aus Art10 Abs1 Z6 B-VG ist abzuleiten, daß sich die Zuständigkeit zur Erlassung und Vollziehung von Verwaltungsstrafbestimmungen nach der Zuständigkeit zur Regelung und Vollziehung der betreffenden Angelegenheit - des Verwaltungszweiges, auf den sich die Verwaltungsstrafbestimmungen beziehen - richtet, daß also die verwaltungsstrafrechtliche Kompetenz akzessorischer Natur ist (siehe dazu etwa auch VfSlg. 5951/1969, 8155/1977, 8343/1978, 8866/1980, 9337/1982, 10.678/1985).
Der Landesgesetzgeber ist mithin angesichts seiner Zuständigkeit zur Erlassung einer dem §1 Abs1 Wr. GebrauchsabgabeG entsprechenden Vorschrift auch zur Erlassung des §16 Abs2 Wr. GebrauchsabgabeG kompetent, der - soweit hier von Bedeutung - lediglich die verwaltungsstrafrechtliche Sanktion für die - unter bestimmten Voraussetzungen erfolgende - Übertretung des im §1 Abs1 Wr. GebrauchsabgabeG festgelegten Gebotes enthält.
Es ist weder durch den Gleichheitsgrundsatz noch durch eine andere verfassungsrechtliche Norm grundsätzlich ausgeschlossen, durch Gesetz ein Verhalten als Verwaltungsübertretung mit Strafe zu bedrohen, das zugleich nach einer anderen Rechtsvorschrift den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung - hier §16 Abs2 Wr. GebrauchsabgabeG und §82 Abs1 iVm §99 Abs3 litd StVO 1960 - (oder einen gerichtlich strafbaren Tatbestand) bildet (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 3915/1961, 8191/1977, 8295/1978, 10.137/1984).
Schlagworte
Gebrauchsabgaben, Privatwirtschaftsverwaltung, Hoheitsverwaltung, Kompetenz Bund - Länder / Straßenpolizei, Kompetenz Bund - Länder / Straßenverwaltung, Kompetenz Bund - Länder / Verwaltungsstrafrecht, Straßenverwaltung Widmung, Auslegung Kompetenzbestimmungen, Verwaltungsstrafrecht Verfassungsfragen, Gesichtspunktetheorie, Straßenpolizei Halten und Parken, Gemeingebrauch, StraftatbestandEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1071.1987Dokumentnummer
JFR_10108994_87B01071_01