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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / GegenstandslosigkeitLeitsatz
Grundrecht auf Datenschutz; Drittwirkung; Recht auf Auskunft hinsichtlich automationsunterstützt verarbeiteter Daten verfassungsgesetzlich gewährleistet; weiter Rechtsträgerbegriff; verfassungsrechtliche Garantie des Zivilrechtsweges für alle Fälle der Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz im privatrechtlichen Bereich eines Rechtsträgers - auch im Bereich der Konkretisierung des Grundrechtes durch einfachgesetzliche Vorschriften; Aufhebung des §5 Abs2 DatenschutzG idF des ArtI Z3 der DatenschutzG-Nov. 1986 wegen Widerspruchs zur Verfassungsbestimmung des §1 Abs6 DatenschutzG; Wiederinkrafttreten des §5 Abs2 in der Stammfassung; Einstellung des Verfahrens zur Prüfung des §2 Z2 der Verordnung der Wiener Landesregierung, LGBl. 2/1982, mit der bestimmte Rechtsträger im Vollziehungsbereich des Landes sowie Tätigkeitsbereiche von solchen und des Magistrates von der Anwendung des 2. Abschnittes des Art2 des DatenschutzG ausgenommen werdenRechtssatz
Das "Grundrecht auf Datenschutz" iS des §1 Abs6 DSG umfaßt auch jene durch §1 Abs3 und 4 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte (das sind die subjektiven Rechte auf Auskunft (Abs3) sowie auf Richtigstellung und auf Löschung (Abs4)), die durch die einfach-gesetzlichen Vorschriften des DSG eine Ausgestaltung erfahren haben.
Mit der Aufnahme des §1 Abs6 in das DSG sollte die "Drittwirkung" des Grundrechtes auf Datenschutz, also dessen Geltung im Bereich privatrechtlicher Beziehungen, zum Ausdruck gebracht werden.
Das Ziel, die Drittwirkung des Grundrechtes auf Datenschutz ausdrücklich festzulegen, verwirklichte der (Verfassungs-)Gesetzgeber, wie sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des §1 Abs6 DSG ergibt, in der Weise, daß er für die Geltendmachung des Grundrechtes auf Datenschutz, soweit Rechtsträger in Formen des Privatrechts tätig sind, den ordentlichen Rechtsweg gewährleistete.
Der in §1 Abs6 DSG verwendete Ausdruck "Rechtsträger" schließt sowohl natürliche als auch juristische Personen, und zwar solche des privaten und des öffentlichen Rechts ein (vgl. auch Funk, Das Datenschutzgesetz im System des öffentlichen Rechts, ZfV 1980, S 505 ff., hier S 508). Der Begriff "Rechtsträger" iS des §1 Abs6 DSG umfaßt mithin auch die unter §5 Abs1 DSG fallenden Rechtsträger, das sind Länder, Rechtsträger, die durch Gesetze eingerichtet sind und deren Einrichtung hinsichtlich der Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder fällt, sowie Gemeinden und Gemeindeverbände.
§1 Abs6 DSG bezieht sich nicht auf Rechtsträger als solche, also in Ansehung ihres gesamten Tätigkeitsbereiches; er erfaßt sie vielmehr nur insoweit, als sie "in Formen des Privatrechts tätig sind". Damit ist auf die Tätigkeit von Rechtsträgern als Träger von Privatrechten abgestellt (Rill, Das Grundrecht auf Datenschutz, in Duschanek (Gesamtredaktion), Datenschutz in der Wirtschaft, 1981, S 15 ff., hier S 26 f.).
Die in einfach-gesetzlichen Vorschriften des DSG (§4 Abs1 und
§5 Abs1) festgelegte Abgrenzung zwischen dem öffentlichen
Bereich (2. Abschnitt, §§6 bis 16) und dem privaten Bereich
(3. Abschnitt, §§17 bis 31) stellt auf ein organisatorisches
Kriterium ab, nämlich auf bestimmt geartete Rechtsträger
(insbesondere Gebietskörperschaften, durch Gesetz eingerichtete
Rechtsträger), nicht auf die Form, in der die Aufgaben von
Rechtsträgern besorgt werden (etwa in Formen des Privatrechts). Der
- durch den 2. Abschnitt des DSG geregelte - öffentliche Bereich
ist die Datenverarbeitung durch die unter §4 Abs1 DSG und die
unter §5 Abs1 DSG fallenden Rechtsträger (vgl. etwa
Dohr/Pollirer/Weiss, Datenschutzgesetz, 1988, S 35, Anmerkung 1 zu
§6 DSG).
§1 Abs6 DSG enthält auch eine verfassungsrechtliche Garantie des
Zivilrechtsweges, und zwar für alle jene Fälle, in denen eine Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz im privatrechtlichen Tätigkeitsbereich eines - wie immer gearteten - Rechtsträgers geltend gemacht wird.
§1 Abs6 DSG bewirkt, daß, soweit Rechtsträger in Formen des Privatrechts tätig sind und demnach für Rechtsstreitigkeiten die Zuständigkeit der Gerichte gegeben ist, auch Entscheidungen über Verletzungen des Grundrechtes auf Datenschutz den Gerichten zukommen.
Das Grundrecht auf Datenschutz wird zwar nicht durch jeden Fehler bei der Anwendung des DSG verletzt, doch können Verletzungen dieses Grundrechtes auch bei der Vollziehung dieses - das Grundrecht auf Datenschutz für den Bereich der automationsunterstützten Datenverarbeitung konkretisierenden - Gesetzes auftreten (vgl. VfSlg. 11548/1987).
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des ordentlichen Rechtsweges durch §1 Abs6 DSG erstreckt sich mangels einer diesbezüglichen Einschränkung durch den Verfassungsgesetzgeber auch auf jene Fälle, in denen das Grundrecht auf Datenschutz durch einfach-gesetzliche Rechtsvorschriften eine Konkretisierung erfahren hat.
Eine Verordnung nach §5 Abs2 erster Satz DSG hat - dies gilt für die novellierte wie für die ursprüngliche Fassung - konstitutive Wirkung (vgl. etwa Stadler, Wirtschaftsinformationen und Datenschutz, ÖZW 1979, S 9 ff., hier S 11; Wielinger, Bemerkungen zum DSG, ZfV 1979, S 299 ff., hier S 303): Ihre Erlassung ist eine notwendige Voraussetzung dafür, daß auf die Datenverarbeitungen des von ihr erfaßten, unter §5 Abs1 DSG fallenden Rechtsträgers nicht (gemäß §5 Abs1 DSG) die Vorschriften des 2. Abschnittes, sondern (gemäß §5 Abs2 zweiter Satz DSG) jene des 3. Abschnittes dieses Gesetzes anzuwenden sind. Die Erlassung einer solchen Verordnung hat somit auch die Anwendbarkeit des §28 Abs1 DSG zur Folge: Danach sind Ansprüche, wie sie sich aus dem 3. Abschnitt des DSG ergeben, auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.
Soweit §5 Abs2 erster Satz DSG idF der DSG-Novelle 1986 die Ausnahme von Rechtsträgern iS des §5 Abs1 DSG, die auch in Formen des Privatrechts tätig sind, von der Anwendung des 2. Abschnittes des DSG nicht zuläßt und dadurch die Anwendbarkeit des 3. Abschnittes dieses Gesetzes auf solche Rechtsträger - damit aber zugleich die Geltendmachung des Grundrechtes auf Datenschutz im ordentlichen Rechtsweg gegenüber solchen Rechtsträgern - auch insoweit ausschließt, als derartige Rechtsträger in Formen des Privatrechts tätig sind, steht er mit der Verfassungsbestimmung des §1 Abs6 DSG in Widerspruch:
Die Geltendmachung des Grundrechtes auf Datenschutz im ordentlichen Rechtsweg gegenüber Rechtsträgern iS des §5 Abs1 DSG, soweit diese in Formen des Privatrechts tätig sind, ist durch §1 Abs6 DSG unabhängig vom Umfang dieser Tätigkeit gewährleistet. Im Widerspruch dazu verhindert §5 Abs2 erster Satz DSG in der novellierten Fassung die Geltendmachung des Grundrechtes auf Datenschutz im ordentlichen Rechtsweg gegenüber solchen unter §5 Abs1 DSG fallenden Rechtsträgern, deren Ausnahme von der Anwendung des 2. Abschnittes des DSG (allein schon) deswegen ausgeschlossen ist, weil diese Ausnahme nicht "im Hinblick auf den Umfang der von ihnen in Formen des Privatrechts ausgeübten Tätigkeit geboten ist".
§5 Abs2 des DSG, BGBl. 565/1978, idF des ArtI Z3 der DSG-Novelle 1986, BGBl. Nr. 370, wird als verfassungswidrig aufgehoben. §5 Abs2 des DSG, BGBl. 565/1978, tritt in der Stammfassung wieder in Kraft.
In dem die Normenprüfungsverfahren einleitenden Beschluß nahm der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung dürfte, wenn das Gesetzesprüfungsverfahren ergeben sollte, daß §5 Abs2 DSG (idF der DSG-Novelle 1986) nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist, in dieser Gesetzesstelle nicht die nach Art18 B-VG erforderliche Deckung finden. Da jedoch das Gesetzesprüfungsverfahren zur Aufhebung des §5 Abs2 DSG (in der novellierten Fassung) geführt hat, ist die Voraussetzung für die Durchführung des Verordnungsprüfungsverfahrens weggefallen. Dieses war daher einzustellen.
(Anlaßfall: E v 12.10.89, B31/88)
Entscheidungstexte
Schlagworte
Datenschutz, Verordnungserlassung, Grundrechte Drittwirkung, Privatwirtschaftsverwaltung, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Gegenstandslosigkeit, Datenverarbeitung, Rechtsträger Begriff, VfGH / Wiederinkrafttreten, Grundrechtsverletzung Datenschutz, AuskunftspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:G238.1988Dokumentnummer
JFR_10108988_88G00238_01