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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z9Leitsatz
Klage eines Beamten des Landes Kärnten auf Vergütung für die als technischer Sachverständiger nach den Vorschriften des KFG 1955 und des KFG 1967 erstatteten Gutachten; während der Geltungsdauer des KFG 1955 dienstrechtlicher Anspruch; kein bloßes Liquidierungsbegehren; Zurückweisung des Klagebegehrens in diesem Umfang wegen fehlender Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes; zulässiges, dem Grunde nach zu Recht bestehendes Klagebegehren für die Jahre 1968 bis 1971; keine "Verschweigung", keine Verjährung des Anspruchs; Festsetzung der ziffernmäßigen Höhe nach §273 Abs2 ZPO; Zuspruch von Zinsen ab Verzug; Aufhebung der Kosten gegeneinanderRechtssatz
Während der Geltungsdauer des KFG 1955 richtete sich ein allfälliger Anspruch der gemäß §102 KFG 1955 bestellten Sachverständigen, die dem Personalstand einer Gebietskörperschaft angehörten, ausschließlich nach den für sie jeweils geltenden dienstrechtlichen Vorschriften (§107 KFG 1955).
Besoldungsrechtliche Ansprüche eines Beamten werden in der Regel in drei Phasen - Schaffung eines Rechtstitels, Bemessung und Liquidierung - verwirklicht. Die letzte Phase (Liquidierung, Auszahlung) ist ein technischer Vorgang, der nur der Verwirklichung der vorangegangenen Bescheide dient, also selbst nicht durch Bescheid zu erledigen ist, sodaß für die Entscheidung über ein solches Liquidierungsbegehren die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B-VG gegeben ist (so die ständige, mit dem Erkenntnis VfSlg. 3259/1957 eingeleitete Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes; vgl. etwa VfSlg. 5425/1966, 7846/1976, 8371/1978, 11.395/1987). Geht es nicht bloß um die Liquidierung eines besoldungsrechtlichen Anspruches, nämlich den technischen Vorgang der Auszahlung, sondern um die Rechtsfrage der Gebührlichkeit, so ist darüber im Streitfall mit Bescheid der zuständigen (Dienst-)Behörde zu entscheiden (vgl. die mit den Erkenntnissen VfSlg. 7172/1973 und 7173/1973 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, neuerdings etwa VfSlg. 10.756/1986 und 11.395/1987).
Gleichgültig, ob die hier in Rede stehende Vergütung für gemäß §102 KFG 1955 bestellte Sachverständige als Nebengebühr (Mehrleistungsvergütung) iS des als kärntner Landesrecht in Geltung stehenden §15 Z3 und des §18 GG 1956 (jeweils in der Stammfassung) oder als Entschädigung für Nebentätigkeit iS des §25 GG 1956 angesehen wird, bedarf es zur Begründung eines derartigen Anspruches der Zuerkennung durch Bescheid (so ausdrücklich §25 Abs2 GG 1956 in Bezug auf die Entschädigung für Nebentätigkeit, sofern nicht ein privatrechtlicher Vertrag zugrundeliegt).
Über den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Vergütung für die Jahre von 1958 bis einschließlich 1967 ist demnach mit Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen, weshalb dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit zu einer Entscheidung hierüber fehlt.
Soweit mit der Klage der Sache nach die Liquidierung von Beträgen für eine Gutachtertätigkeit nach dem KFG 1967 begehrt wird ist sie zulässig (unter Hinweis auf Vorjudikatur).
Die in §129 KFG 1967 getroffene Regelung über die den Sachverständigen iSd §129 Abs1 Abs1 erster Satz lita und litb dieses Gesetzes zu leistende Vergütung ist, wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 6937/1972 im einzelnen dargelegt hat, nicht dienstrechtlicher Natur, sondern eine in die Zuständigkeit des Materiengesetzgebers - im gegebenen Fall somit gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG ("Kraftfahrwesen") des Bundesgesetzgebers - fallende Regelung.
Es gibt keine Norm, nach der ein öffentlich-rechtlicher Anspruch der hier in Rede stehenden Art durch "Verschweigung" erlischt.
Ebensowenig ist die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Verjährung berechtigt. Der Verfassungsgerichtshof vertritt nämlich (dem Verwaltungsgerichtshof folgend, s. dazu etwa VwSlg. 2342 A/1951, 3729 A/1955, 4061 A/1956, 6173 A/1963, 7134 A/1967,
10.907 A/1982) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Verjährung keine allgemeine, der österreichischen Rechtsordnung zugehörige Institution ist (s. etwa die Erkenntnisse VfSlg. 6337/1970, 7617/1975, 7735/1976, 8043/1977, 10.889/1986). Im öffentlichen Recht besteht die Institution der Verjährung nur dort, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht (so auch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. etwa VwSlg. 6173 A/1963, 10.907 A/1982; VwGH 19.11.1964, 2111/63; 22.6.1978, 397/78). Bei den Verjährungsvorschriften des ABGB handelt es sich um Rechtsgrundsätze des Privatrechtes, die sich nicht ohne weiteres auf das öffentliche Recht übertragen lassen (s. etwa auch VwGH 12.3.1968, 449/67). Nur dann, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechtes ausdrücklich Verjährungsbestimmungen enthalten, darf bei Bedachtnahme auf §7 ABGB ergänzungsweise auf die Verjährungsvorschriften des ABGB zurückgegriffen werden (vgl. auch VwSlg. 4860 A/1959). Sieht aber die anzuwendende Vorschrift des öffentlichen Rechtes dem Grunde nach eine Verjährung nicht vor, so ist eine analoge Anwendung der Verjährungsvorschriften des ABGB unzulässig (s. etwa auch VwGH 25.11.1969, 550/560/69; 10.3.1972, 1747/70).
Die Höhe der einzelnen Vergütungsbeträge ergibt sich aus §66 Abs1 KDV 1967. §66 Abs2 zweiter Satz KDV 1967 (in der Stammfassung) hatte ua. bestimmt, daß der Gesamtbetrag für alle gemäß Abs1 abgegebenen Gutachten in einem Kalenderjahr "für dem Personalstand einer Gebietskörperschaft angehörende, sich nicht bereits im Ruhestand befindende Sachverständige oder Ärzte 12.000 S" nicht überschreiten durfte. Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem Erkenntnis VfSlg. 6221/1970 diese in §66 Abs2 KDV 1967 enthalten gewesenen Worte als gesetzwidrig aufgehoben. Die durch den zuständigen Bundesminister erfolgte Kundmachung der Aufhebung ist im 61. Stück des Bundesgesetzblattes aus 1970 (ausgegeben am 13. August 1970) unter Nr. 257 verlautbart worden. Die Aufhebung ist an diesem Tag in Kraft getreten (s. etwa VfSlg. 6475/1971, 6939/1972, 6940/1972).
Die Aufhebung hatte nach der damaligen Verfassungsrechtslage zur Folge, daß die Gerichte - darunter auch der Verfassungsgerichtshof - die Verordnung auch auf die schon vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden hatten. Seit der Neufassung des Art139 B-VG durch das (mit 1. Juli 1976 in Kraft getretene) BVG BGBl. 302/1975 tritt eine solche Rechtsfolge nach Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG zwar nur mehr dann ein, wenn der Verfassungsgerichtshof dies in seinem aufhebenden Erkenntnis ausspricht, doch wirkt diese Änderung der Verfassungsrechtslage nicht auf die vor ihrem Inkrafttreten erfolgten Aufhebungen zurück (so der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 8243/1978). Auch im vorliegenden Fall hat der Verfassungsgerichtshof daher den aufgehobenen Teil des §66 Abs2 KDV 1967 für Ansprüche aus den Jahren 1968, 1969, 1970 und 1971 nicht mehr zu beachten.
Im Hinblick auf das Vorbringen der beklagten Partei, daß sie anhand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen (ds. die Protokollbücher) "größenordnungsmäßig in etwa ähnliche Ergebnisse" ermittelt habe, ist es als unbestritten anzusehen, daß der Kläger im wesentlichen jene Anzahl von Gutachten erstellt hat, die er seiner Berechnung der für die Jahre von 1968 bis einschließlich 1971 erhobenen Klagsforderung zugrundegelegt hat. Daß die beklagte Partei dem Kläger die für die Jahre 1968 bis 1971 zustehenden Vergütungen - außer Streit steht nur die Bezahlung eines Betrages von S 12.000,-- für das Jahr 1971 - tatsächlich bezahlt hat, ist als eine den klägerischen Anspruch vernichtende Tatsache von der beklagten Partei zu beweisen, zumal der Kläger ansonsten den - weitaus schwierigeren - Beweis des Nichtbestehens einer Tatsache, nämlich der Auszahlung der Vergütung im hier in Rede stehenden Umfang, führen müßte, und die beklagte Partei leichteren Zugang zu den hier in Betracht kommenden Beweismitteln hat (siehe dazu etwa Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts, 1984, Rz. 882 f.). Daß die beklagte Partei entsprechende Nachweise - wenngleich, wie sie behauptet, im Einklang mit den bestehenden Skartierungsrichtlinien - nach ihrem Vorbringen bereits vernichtet hat, vermag nicht zum Nachteil des Klägers auszuschlagen.
Da somit die Höhe der strittig gebliebenen Ansprüche einerseits im Verhältnis zum Gesamtbetrag offenkundig gering ist und andererseits die genaue Ermittlung des Ausmaßes der noch strittigen Ansprüche nach dem Vorbringen der beklagten Partei unmöglich ist, liegt eine Prozeßlage vor, die nach §273 Abs2 ZPO (iVm §35 VfGG) zu beurteilen ist. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher veranlaßt, iS dieser Bestimmung die ziffernmäßige Höhe des Anspruches nach seiner freien Überzeugung festzusetzen. Dabei erscheint es gerechtfertigt, der dem Klagebegehren zugrundeliegenden Annahme über die Anzahl der vom Kläger durchgeführten Begutachtungen zu folgen, zumal die Führung der Protokollbücher in den Verantwortungsbereich des Landeshauptmannes als der die Gutachten einholenden Behörde (§31 Abs2 KFG 1967) fällt und es unbillig wäre, ließe man allfällige Mängel bei der Führung dieser Bücher zu Lasten des Klägers ausschlagen.
Wenn das Gesetz - wie hier - nichts Gegenteiliges bestimmt, sind auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen Verzugszinsen zu entrichten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Verzuges (s. VfSlg. 5079/1965, 10.498/1985, 10.889/1986, 11.064/1986). Die beklagte Partei war mangels einer außergerichtlichen Mahnung jedenfalls bis zur Klagserhebung nicht in Verzug (vgl. VfGH 14.3.1988 A25/87). Die Klage wurde der beklagten Partei am 22. Februar 1988 zugestellt. Da ihr eine angemessene Frist für die Erfüllung einzuräumen ist, waren Zinsen nicht iS des Begehrens des Klägers, sondern erst ab 1. April 1988 zuzusprechen (vgl. etwa VfSlg. 11.064/1986, S 399).
Schlagworte
Dienstrecht, Kompetenz Bund - Länder Kraftfahrwesen, Verschweigung, Verjährung, Kraftfahrrecht, Vergütungen (Sachverständige), Sachverständige, Beweis, VfGH / Liquidierungsklage, Zinsen, VfGH / Prüfungsmaßstab, Verweisung Landes- auf BundesrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:A3.1988Dokumentnummer
JFR_10108873_88A00003_01