Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2 / Zuständigkeit örtliche, keineLeitsatz
Zulässige Beschwerde gegen die im Dienste der Strafjustiz ohne Einholung eines richterlichen Befehls vorgenommene Verhaftung und nachfolgende Anhaltung des Beschwerdeführers; Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Recht auf persönliche Freiheit infolge der außerhalb des örtlichen Wirkungsbereiches der Bundespolizeidirektion Salzburg durch deren Organe erfolgte Verhaftung; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Aufrechterhaltung des durch §177 Abs1 Z2 StPO nicht gedeckten Freiheitsentzuges im örtlichen Wirkungsbereich der belangten BehördeRechtssatz
Es obliegt dem Verfassungsgerichtshof von Amts wegen festzustellen, welche Verwaltungsbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt als belangte Behörde zu vertreten hat.
Die Aufforderung an den im Bett liegenden Beschwerdeführer durch einen Beamten der Bundespolizeidirektion Salzburg ("Komm, zieh dich an!") ist nach einem objektiven Maßstab vor dem Hintergrund der damals bestandenen Situation (nämlich daß zwei Exekutivbeamte in die Wohnung gekommen waren) zu werten; sie muß dahin verstanden werden, daß dem Beschwerdeführer ab dem Zeitpunkt der Äußerung bewußt war, nicht mehr über seine persönliche Freiheit zu verfügen, mithin festgenommen zu sein.
Der Beschwerdeführer wurde, weil die Bundespolizeidirektion Salzburg außerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereichs mit Befehls- und Zwangsgewalt vorging, durch die Festnahme im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Zugleich wurde er durch diesen Verwaltungsakt in Ansehung des §4 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.
Die Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes liegt aber auch insofern vor, als der Freiheitsentzug im örtlichen Wirkungsbereich der Bundespolizeidirektion Salzburg aufrechterhalten wurde. Denn die Lage einer Person, der im Hinblick auf die örtliche Unzuständigkeit der einschreitenden Sicherheitsbehörde die Freiheit zu Unrecht entzogen wurde, kann ab dem Eintritt der örtlichen Zuständigkeit der Sicherheitsbehörde rechtlich nicht ungünstiger sein als die Situation desjenigen, der sich bis zum Platzgreifen der örtlichen Zuständigkeit auf freiem Fuß befindet.
Dies bedeutet mangels Vorliegen eines Haftbefehls im Hinblick auf §177 Abs1 (§10 Z1) iVm §175 Abs1 Z2 bis 4 und Abs2 StPO, daß eine vorläufige Verwahrung des Beschwerdeführers nur nach Maßgabe der Z2 im §177 Abs1 StPO zulässig gewesen wäre; es kann aber keineswegs gesagt werden, daß im gegebenen Fall die Einholung eines richterlichen Befehles wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich gewesen wäre.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Ausübung unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B977.1986Dokumentnummer
JFR_10108796_86B00977_01