TE Vfgh Beschluss 2004/6/30 G37/01

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Veröffentlicht am 30.06.2004
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
EMRK Art7
WRG 1959 §137 Abs2 Z6
WRG 1959 §33g

Leitsatz

Zurückweisung des Gesetzesprüfungsantrages eines Unabhängigen Verwaltungssenates auf Aufhebung der Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes über eine Bewilligungsfiktion für Kleinanlagen und Indirekteinleiter im Bereich der Abwasserreinigung wegen zu engen Anfechtungsumfanges; Anfechtbarkeit dieser Bestimmung nur gemeinsam mit der anzuwendenden Strafnorm aufgrund des Rückwirkungsverbotes von Strafbestimmungen der EMRK in Hinblick auf die im Falle der Aufhebung eintretende Strafbarkeit eines ursprünglich straflosen Verhaltens

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellte aus Anlaß eines bei ihm anhängigen Berufungsverfahrens gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden den Antrag,

die Absätze 1 und 2 des §33g Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 155/1999,

in eventu Abs1 des §33g Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 155/1999,

in eventu den ersten Satz im Abs1 des §33g Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 155/1999

als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Diesem beim Verfassungsgerichtshof zu G37/01 protokollierten Antrag liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

2.1. Beim UVS Oberösterreich ist eine Berufung der MM gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Wasserrechtsgesetz anhängig.

MM werden im angefochtenen Straferkenntnis folgende Tatvorwürfe gemacht:

"Sie haben am 13.3.2000 bei ihrer Liegenschaft ... in der Gemeinde Bad Ischl

a) die in beiden WC's anfallenden Abwässer über einen Überlauf der 2-3 m3 großen Senkgrube und in weiterer Folge über einen Ableitungsstrang, welcher auch geringfügig auf einem Grundstück des Nachbarn ..., liegt, ohne Zustimmung des ... [Nachbarn] und ohne Bewilligung in den Dorferbach eingeleitet.

b) die Grauwässer (Bade-, Wasch- und Küchenwässer) aus beiden Wohneinheiten direkt und ohne jegliche Vorreinigung in den in der Sieldungsstraße gelegenen verrohrten Dorferbach ohne Bewilligung eingeleitet."

MM wurde wegen Verwaltungsübertretungen nach §137 Abs2 Z6 (erster Fall) Wasserrechtsgesetz 1959 idF BGBl. I 155/1999 (im Folgenden: WRG 1959) (entsprach früher §137 Abs3 litg Wasserrechtsgesetz 1959) mit einer Geldstrafe von je S 1.000,-

(Ersatzfreiheitsstrafe 3 Stunden) bestraft. Der Punkt b) des angefochtenen Straferkenntnisses ist im Hinblick auf die angelastete direkte Einleitung in den verrohrten Dorferbach nicht von der Anfechtung betroffen.

2.2. In der Begründung nahm die Strafbehörde Bezug auf einen wasserrechtlichen Lokalaugenschein. Aus dem Befund des wasserbautechnischen Amtssachverständigen gehe hervor, dass die Liegenschaft P 40, 4820 Bad Ischl, von drei Personen ständig bewohnt werde, wobei die in zwei WCs anfallenden Abwässer in eine Senkgrube mit Nutzinhalt 2-3 m3 eingeleitet würden, welche einen Überlauf mit Abteilungsstrang in den Dorferbach besitze. In der Senkgrube befinde sich ein Ablaufknie, wodurch eine Grobabscheidung erfolge, was als mechanische Vorreinigung angesehen werden könne. Der Amtssachverständige betrachte die Senkgrube deshalb aber nicht als Kläranlage.

2.3. Unbestritten sei, dass sich MM bezüglich der gegenständlichen Einwirkungen auf dem Dorferbach nicht auf eine gemäß §32 WRG 1959 erteilte wasserrechtliche Bewilligung berufen könne.

2.4. MM brachte in ihrer Berufung vor, dass ihre Abwässer aus der Senkgrube, die sie als Abwasserreinigungsanlage bezeichnet, durch einen Überlaufkanal in den verrohrten Ramsengraben und weiter in den Dorferbach abgeleitet würden, wobei sie entgegen den Feststellungen der Strafbehörde den Nutzinhalt nicht mit 2-3 m3, sondern mit 7-8 m3 einschätze. Das Ausmaß des Grubenraumes entspreche dem einer Abwasserreinigungsanlage im Sinne des §33g Abs1 WRG 1959.

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 idF der WRG-Novelle 1999, BGBl. I 155 lauten:

"§32 (1) Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§30 Abs2) beeinträchtigen, sind nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. ...

(2) Nach Maßgabe des Abs1 bedürfen einer Bewilligung insbesondere:

a) die Einbringung von Stoffen in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand in Gewässer (Einbringungen) mit den dafür erforderlichen Anlagen,

b) - g) ...

(3) - (8) ..."

§33g WRG 1959, dessen Abs1 und 2 zur Gänze angefochten sind, steht unter der Überschrift "Bestehende Kleinanlagen und Indirekteinleiter" und lautete:

"(1) Abwasserreinigungsanlagen mit Ableitung oder Versickerung kommunaler Abwässer mit einem maximalen täglichen Schmutzwasseranfall von kleiner oder gleich 10 EGW 60, die am 1. Juli 1990 bestanden haben, gelten als bewilligt (§32), wenn sie nachweislich ordnungsgemäß betrieben und instandgehalten werden. Diese Bewilligung endet, sofern die Frist nicht durch Verordnung nach Abs2 verlängert wird, am 31. Dezember 2005 längstens aber gemäß §33f für die in einem betroffenen Gebiet liegenden Anlagen. Auf solche Anlagen findet §33c keine Anwendung. Bei der Auflassung solcher Anlagen sind die zur Vermeidung von Gewässerverunreinigungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen; die §§27 und 29 sind nicht anzuwenden.

(2) Ist nach verläßlichen konkreten Planungen oder Rechtsvorschriften der Gemeinde, eines Verbandes oder des Landes der Anschluß an eine öffentliche Kanalisation zu erwarten, kann der Landeshauptmann mit Verordnung die Bewilligungsdauer für Anlagen im Einzugsgebiet der geplanten öffentlichen Kanalisation unter Bedachtnahme auf die wasserwirtschaftlichen Erfordernisse und wasserrechtlich besonders geschützten Gebiete (§§34, 35, 37, 48 Abs2 und 54) bis zu folgendem Zeitpunkt verlängern:

in Gemeinden, in denen Abwasser über eine Abwasserreinigungsanlage bis 2000 EW 60 entsorgt werden soll, bis längstens 31. Dezember 2012.

Ist der Anschluß an eine öffentliche Kanalisation vor Ablauf der in Abs1 und 2 genannten Fristen möglich, endet die Bewilligung, sobald diese Anschlußmöglichkeit besteht.

(3) ..."

"§137 (1) ...

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs3 der 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 200.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 4 Wochen, zu bestrafen, wer

1. - 5. ...

6. ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen eine gemäß §32 bewilligungspflichtige Einwirkung auf Gewässer oder eine gemäß §32b bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vornimmt;

7. - 9. ...

(3) - (7) ..."

§33g WRG 1959 wurde mit dem Agrarrechtsänderungsgesetz 2001, BGBl. I 109, Art7, 18. geändert und mit Art7, 27. wurde weiters für bestehende Abwasserreinigungsanlagen dem §145 WRG idF BGBl. I 90/2000 Abs7 angefügt.

Mit BG, BGBl. I 82/2003, ArtI 26a und b wurde §33g WRG 1959 neuerlich novelliert. Diese Bestimmungen traten mit 22. Dezember 2003 in Kraft.

4. Zur Präjudizialität bringt der UVS Oberösterreich Folgendes vor:

Gemäß §137 Abs2 Z6 WRG 1959 begehe eine Verwaltungsübertretung und sei nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 200.000,-, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen, wer ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen eine gemäß §32 bewilligungspflichtige Einwirkung auf Gewässer oder eine gemäß §32b bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vornehme.

Nach §32 Abs1, erster Satz WRG 1959 seien Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§30 Abs2) beeinträchtigten, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Gemäß §32 Abs2 lita WRG 1959 idF BGBl. I 74/1997 bedürfe insbesondere die Einbringung von Stoffen in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand in Gewässer (Einbringungen) mit den dafür erforderlichen Anlagen einer Bewilligung.

Der UVS Oberösterreich habe die Bewilligungsfiktion des §33g Abs1 WRG 1959 im Rahmen des Berufungsverfahrens zu beachten. Im Falle der Bejahung der Voraussetzungen des ersten Satzes sei von einer Bewilligung der angelasteten Einwirkung im Sinne des §32 WRG 1959 auszugehen, weshalb die im Spruchpunkt a) des angefochtenen Straferkenntnisses angelastete Übertretung nach §137 Abs2 Z6 WRG 1959 zu verneinen, dieser Punkt daher aufzuheben und das Strafverfahren gemäß §45 Abs1 Z1 VStG einzustellen wäre.

Da durch die gegenständliche Senkgrube mit Überlaufrohr und Ableitungsknie nach Darstellung des wasserbautechnischen Amtssachverständigen eine grobe mechanische Vorreinigung stattfinde, bei der Feststoffe abgeschieden würden, halte es das zuständige Mitglied des Oberösterreichischen UVS entgegen der Ansicht der Strafbehörde für durchaus vertretbar, diese Anlage als Abwasserreinigungsanlage zu betrachten, die unter das Regime des §33g Abs1 WRG 1959 falle. Diese Vorschrift sehe keine bestimmten Mindestanforderungen für eine Abwasserreinigung vor. Unter dem nur nach der Größenordnung (10 EGW 60) eingeschränkten, sonst aber umfassenden Begriff der Abwasserreinigungsanlage im Sinne des §33g Abs1 WRG 1959 fielen deshalb nicht nur Kläranlagen mit einem technischen Mindeststandard.

5. In der Sache hegt der UVS Oberösterreich das Bedenken, dass §33g Abs1 WRG 1959 gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Rechtstaatsgebot des Art18 B-VG verstoße:

5.1. §33g Abs1 WRG 1959 idF der WRG-Novelle 1997, BGBl. I 74/1997 habe zum Unterschied von der angefochtenen Neufassung des §33g die Bewilligungsfiktion für Abwasserreinigungsanlagen von kleiner oder gleich 10 EGW 60 nur vorgesehen, wenn für sie eine baubehördliche oder eine inzwischen abgelaufene wasserrechtliche Bewilligung vorgelegen sei und sie nachweislich ordnungsgemäß betrieben und instandgehalten wurden. In der Neufassung des ersten Satzes würde nicht mehr auf Bewilligungen abgestellt. Demnach fehle nunmehr der rechtsverbindliche Maßstab für die Beurteilung, ob ordnungsgemäß betrieben und instandgehalten wurde. Objektivierbare Kriterien für Umfang und Grenzen des nach wie vor geforderten, nachweislich ordnungsgemäßen Betriebes und der Instandhaltung seien aus dem Gesetz nicht mehr erkennbar, zumal die inhaltliche Wertausfüllung der Vollziehung übertragen worden sei. Werde eine Abwasserreinigungsanlage ihrer konstruktiven Funktion gemäß betrieben, liege damit bereits ein ordnungsgemäßer Betrieb vor, ohne dass es auf weitere - abgesehen von den durch die 10 EGW 60 vorgeschriebenen Größenordnungen - quantitative oder qualitative Kriterien ankäme.

5.2. Diese infolge der "formalgesetzlichen Delegation" unvermeidliche Auslegung führe zu unsachlichen Ergebnissen, weil die funktionsbedingten Anforderungen für einen ordnungsgemäßen Betrieb jeweils davon abhängen würden, welche Abwasserreinigungsanlage im Einzelfall angeschafft worden sei und welche Betriebs- und Wartungsvorschriften der Hersteller und/oder Werklieferer vorgesehen habe. Da es bis zur Größenordnung von 10 EGW 60 aber keine rechtsverbindlichen Mindeststandards gäbe, wäre die Frage des ordnungsgemäßen Betriebes von der autonomen Entscheidung des Rechtsunterworfenen für eine bestimmte Abwasserreinigungsanlage und von den mehr oder minder zufälligen Vorgaben des Herstellers und/oder Werklieferers für deren Betrieb abhängig. Je komplexer eine Anlage konstruiert worden sei, desto höher wären die Anforderungen. Je einfacher die Abwasserreinigung erfolge, desto weniger würden qualitative Kriterien eine Rolle spielen. Deswegen könne auch eine Senkgrube mit Ablaufknie als mechanische Abwasserreinigung in primitivster Form aufgefaßt werden, weil immerhin eine Grobabscheidung stattfinde, bevor das Abwasser über einen Überlauf abgeleitet werde.

5.3. Die Unsachlichkeit der angefochtenen Regelung ergebe sich auch aus den Grundsätzen, die der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur betreffend die versuchte Legalisierung von Schwarzbauten ausgesprochen habe (vgl. VfGH 3.3.1999, G132/98; VfSlg. 14681/1996, 14763/1997).

Eine Privilegierung des rechtswidrig handelnden Personenkreises durch nachträgliche Legalisierung widerspreche dem Gleichheitssatz. Außerdem dürfe sich die Rechtsordnung durch die Begünstigung von Rechtsbrechern auf Kosten rechtskonform Handelnder nicht selbst in Frage stellen. Dieses Bedenken der unsachlichen Privilegierung von Rechtsbrechern träfe auch auf die Ausnahmeregelung des §33g Abs1 WRG 1959 zu, weil Personen, die für ein nach dem Stand der Technik eingerichtetes Abwasserbeseitigungsprojekt eine wasserrechtliche Bewilligung erwirkt hätten und deren rechtsverbindliche Betriebs- und Wartungsvorschriften beachten müssten, eindeutig schlechtergestellt seien als konsenslose Anlagenbetreiber, für die keine bescheidförmigen Beschränkungen durch detaillierte Betriebs- und Wartungsvorschriften erlassen worden seien, die aber ungeachtet dessen in den Genuß der gesetzlichen Bewilligungsfiktion gelangten, wenn sie ihre - nur nach der Größenordnung von 10 EGW 60 beschränkte - Abwasserreinigungsanlage in einem nicht näher bestimmten Sinne ordnungsgemäß betreiben und instandhalten würden.

Weiters sei die Ausnahmeregelung des §33g Abs1 WRG 1959 auf die Dauer von 7 Jahren bis zum 31. Dezember 2005 befristet, ohne dass dafür sachliche Gründe ersichtlich seien.

5.4. Der UVS Oberösterreich vertritt die Ansicht, dass nicht nur der erste Satz des §33g Abs1 WRG 1959 sondern der ganze Absatz und zusätzlich auch der zweite Absatz, der eine auf die Bewilligungsdauer nach Abs1 bezogene Verordnungsermächtigung für den Landeshauptmann enthält, aus dem Rechtsbestand zu entfernen sei, weil diese ergänzenden Vorschriften ohne die Bewilligungsfiktion des ersten Satzes des Absatzes 1 keinen Sinn ergäben und damit ein unanwendbarer Torso verbliebe.

6. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, den Antrag abzuweisen.

6.1. Dem Vorbringen zur mangelnden Bestimmtheit der Voraussetzung des nachweislich ordnungsgemäßen Betreibens und Instandhaltens sei folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß §31 WRG 1959 habe jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen könnten, mit der im Sinne des §1297 ABGB, zutreffendenfalls mit der im Sinne des §1299 ABGB gebotenen Sorgfalt seine Anlage so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, dass eine Gewässerverunreinigung vermieden werde, die §30 WRG 1959 zuwiderlaufe und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt sei. Dieser Grundsatz und damit auch das Reinhaltungsgebot des §30 WRG 1959 gelte auch für die Beurteilung, ob eine Kleinanlage im Sinne des §33g WRG 1959 ordnungsgemäß betrieben und instandgehalten werde. Zudem seien im Besonderen die sich aus §50 WRG 1959 ergebenden Instandhaltungspflichten zu beachten. Gemäß §50 WRG 1959 hätten die Wasserberechtigten ihre Wasserbenutzungsanlagen einschließlich der dazugehörigen Kanäle, künstlichen Gerinne, Wasseransammlungen sowie sonstige Vorrichtungen in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand, und wenn dieser nicht nachweislich sei, derart zu erhalten und zu bedienen, dass keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte stattfinde.

Von diesen Grundsätzen ausgehend, die einen Verhaltensmaßstab sowohl für jedermann (§31) als auch speziell für Wasserberechtigte (§50) aufstellten, könne den Antragsbehauptungen bezüglich des Fehlens eines rechtsverbindlichen Maßstabes für das ordnungsgemäße Betreiben und Instandhalten einer Abwasserreinigungsanlage im Sinne des §33g Abs1 WRG 1959 nicht gefolgt werden, weil durch die bezeichneten Bestimmungen allgemein gültig festgelegt sei, auf welche Schutzziele bei der Beurteilung, ob ordnungsgemäß betrieben und instandgehalten werde, abzustellen sei, nämlich auf die Vermeidung einer nicht bloß geringfügigen Gewässerverunreinigung, einer Verletzung öffentlicher Interessen und einer Verletzung der Rechte dritter Personen.

6.2. Auch dem Vorbringen, wonach die Anforderungen umso höher würden je komplexer eine Anlage konstruiert sei bzw. dass qualitative Kriterien umso weniger eine Rolle spielten, je einfacher die Abwasserreinigung erfolge, könne nicht gefolgt werden. Entscheidend sei nicht, ob eine beliebige "Abwasserreinigungsanlage" ihrer konstruktiven Funktion gemäß betrieben werde, sondern vielmehr, ob der Betrieb der Anlage zur Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte führe. Eine solche Verletzung werde in der Regel umso wahrscheinlicher sein, je einfacher die Anlage konstruiert bzw. je schlechter ihre Reinigungswirkung sei.

6.3. Auch dass die Frage des Eingreifens der Bewilligungsfiktion allenfalls von der Verwaltungsstrafbehörde im Wege der Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens (als Vorfrage) zu klären sei, vermöge keine Verfassungswidrigkeit der Bewilligungsfiktion zu begründen.

Die rechtliche Situation im Bereich der gegenständlichen Bewilligungsfiktion stelle sich nicht anders dar, als bei allen anderen wasserrechtlichen Anlagen.

6.4. Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Legalisierung von Schwarzbauten sei auf §33g WRG 1959 nicht übertragbar.

Im Rahmen der Bewilligungsfiktion des §33g WRG 1959 würden nur ordnungsgemäß betriebene und instandgehaltene Abwasserreinigungsanlagen, das heißt grundsätzlich bewilligungsfähige Anlagen "legalisiert".

Die Bewilligungsfiktion des §33g WRG 1959 sei auf bestimmte Fälle begrenzt und an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Abgesehen davon, dass die Reinigungsanlage am 1. Juli 1990 bestanden haben müsse, dürfe es sich lediglich um kommunale Abwässer mit einem maximalen täglichen Schmutzwasseranfall von kleiner oder gleich 10 EGW 60 handeln. Diese Kleinanlagen müßten nachweislich ordnungsgemäß betrieben und instandgehalten sein; die Fiktion ende jedenfalls mit Inkrafttreten immissionsseitiger Einschränkungen durch eine Maßnahmenverordnung gemäß §33f WRG 1959.

Diese Fiktion sei nach Ansicht der Bundesregierung im Hinblick auf die in Relation zu anderen Abwasserproduzenten grundsätzlich zu erwartenden geringfügigen Auswirkungen auf die Gewässer sachlich gerechtfertigt. Dies insbesondere auch deshalb, weil die Fiktion nur solange eingreife, als durch den Betrieb keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte stattfinde.

Die Ausnahme von Kleinanlagen im Sinne des §33g WRG 1959 von einem Bewilligungsverfahren erscheine auch gerechtfertigt, weil es bis zur WRG-Novelle 1990 zu Unsicherheiten über das Bestehen einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht für derartige Kleinanlagen gekommen sei.

Zur erfolgten Verlängerung der Befristung der Bewilligungsfiktion sei auf die Schwierigkeiten der Bewältigung bzw. Finanzierung der hohen Kosten für die kommunale Abwasserbeseitigung hinzuweisen.

7. Der UVS Oberösterreich tritt in einer Replik den Äußerungen der Bundesregierung entgegen und stellt in seinem zweiten Eventualantrag §33 Abs1 WRG 1959 richtig auf §33g Abs1 WRG 1959.

8. Die BH Gmunden hat als mitbeteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie die Bedenken des UVS Oberösterreich teilt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der antragstellende UVS geht - wie sein Vorbringen zur Präjudizialität der angefochtenen Norm zeigt - davon aus, dass er §33g Abs1 WRG in dem bei ihm anhängigen Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden hat, dass mithin diese Bestimmung, soweit sie eine Bewilligung fingiert, der Annahme, dass die beteiligte Partei (die Beschuldigte des Ausgangsverfahrens) die ihr vorgeworfenen Verwaltungsstrafdelikte der bewilligungslosen Einleitung verschiedener Abwässer in den Dorferbach begangen hat, entgegenstünde.

Dieser, dem Aufhebungsantrag notwendigerweise zugrunde liegenden Auffassung des UVS zufolge, würde also die antragsgemäße Aufhebung der angefochtenen Norm dazu führen, dass sich die beteiligte Partei auf die Bewilligungsfiktion des §33g Abs1 WRG nicht mehr berufen könnte; andernfalls wäre nämlich die Norm nicht präjudiziell. Im Falle einer Aufhebung der Norm durch den Verfassungsgerichtshof würde dann aber ein (voraussetzungsgemäß) an sich strafloses Verhalten der beteiligten Partei rückwirkend strafbar werden. Denn Art140 Abs7 B-VG sieht zwingend vor, dass eine als verfassungswidrig aufgehobene Norm im Anlassverfahren nicht mehr anzuwenden ist, und zwar auch dann nicht, wenn sich diese Nichtanwendung für die (beschwerdeführende) Partei des Ausgangsverfahrens als nachteilig erweist (vgl. auch VfGH 10. Oktober 2003, B1492/01 mwN).

Einem solchen Ergebnis steht aber in einem Verwaltungsstrafverfahren der ebenfalls im Verfassungsrang stehende Art7 Abs1 Satz 1 EMRK entgegen: Danach darf niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem (oder internationalem) Recht nicht strafbar war.

Die angefochtene Bestimmung steht aus dem Blickwinkel des Grundrechts des Art7 Abs1 EMRK somit in einem untrennbaren Zusammenhang mit der vom UVS anzuwendenden Strafnorm: In diesem Zusammenhang gelesen, erfolgt die Einleitung von Abwässern in ein Gewässer nur dann bewilligungslos (und ist daher strafbar), wenn diese Einleitung weder im Einzelfall bewilligt ist noch als (generell) bewilligt gilt. Es erweist sich daher als unzulässig, aus einem solchen normativen Zusammenhang nur jene (gegebenenfalls) die Straflosigkeit bewirkende Bestimmung anzufechten, die Strafbestimmung im Übrigen aber unangefochten zu lassen. Der UVS wäre daher nur berechtigt, §33g Abs1 WRG gemeinsam mit der von ihm anzuwendenden Strafnorm anzufechten. Auf Grund des dargelegten, grundrechtlich geprägten Zusammenhanges der Normen kann nämlich nur auf diese Weise ein Art7 Abs1 EMRK widersprechendes Ergebnis vermieden werden.

Der Antrag war daher zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2e VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Strafrecht, Strafprozeßrecht, Verwaltungsstrafrecht, Rückwirkungsverbot, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, Wasserrecht, Bewilligungspflicht, Strafe, Rückwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:G37.2001

Dokumentnummer

JFT_09959370_01G00037_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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