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50 GewerberechtNorm
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung / EingriffLeitsatz
Optimierung des öffentlichen Verkehrs sachliches Ziel des Gesetzgebers; Fehlen eines entsprechenden Verkehrsbedürfnisses als alleiniger Versagungsgrund für die Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer Kraftfahrlinie in Widerspruch zur Erwerbsausübungsfreiheit; keine Bedenken gegen bloße Mitberücksichtigung; Aufhebung des §4 Abs1 Z3 des KraftfahrlinienG 1952Rechtssatz
§4 Abs1 Z3 des Kraftfahrliniengesetzes 1952 - KflG 1952, BGBl. 84, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
§4 KflG 1952 beschränkt die Möglichkeit, ein bestimmtes Gewerbe anzutreten. Diese Bestimmung greift daher in das durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit ein.
Es ist zwar verfassungsrechtlich unbedenklich, bei Erteilung einer Kraftfahrlinienkonzession darauf Bedacht zu nehmen, welche Auswirkungen die geplante neue Kraftfahrlinie auf den bereits bestehenden Autobus- und Eisenbahnlinienverkehr hätte, auch wenn damit ein Konkurrenzschutz bewirkt wird.
Hingegen wird das Ziel des Gesetz, den öffentlichen Verkehr zu optimieren, ohnehin durch §4 Abs1 Z5 litb und c KflG 1952 erreicht und die Z3 dient darüber hinaus keinem im öffentlichen Interesse gelegenen Zweck.
Es wäre unsachlich, auch solche Verkehrsunternehmen (durch Gewähren eines gewissen Konkurrenzschutzes) zu fördern, die ihren Verkehrsaufgaben nicht ordnungsgemäß nachkommen.
Mit §4 Abs1 Z3 wird als Voraussetzung für die Konzessionserteilung das Bestehen eines Verkehrsbedürfnisses postuliert, dies unabhängig davon, welche Auswirkungen die neue Linie auf die Betreiber bestehender Verkehrslinien hat. Die Konzession darf also zB auch dann nicht erteilt werden, wenn das Verkehrsbedürfnis durch den Gelegenheitsverkehr und den privaten Kraftfahrzeugverkehr bereits ausreichend befriedigt ist. (In die Richtung einer solchen Auslegung des §4 Abs1 Z3 KflG 1952 deutet etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.12.1982, Z82/03/0230.) Der einzige Zweck des §4 Abs1 Z3 KflG 1952 ist dann aber, den Bewerber um die Konzession für eine neue Kraftfahrlinie vor künftigen Investitionen zu bewahren, die verfehlt sind. Ein derartiges Ziel liegt aber nicht im öffentlichen Interesse. Dann aber verstößt die in Prüfung gezogene, die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende Regelung gegen Art6 StGG.
Vor dem Hintergrund der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Erwerbsausübungsfreiheit ist es grundsätzlich Sache des Unternehmers, betriebswirtschaftlich zu disponieren (vgl. zB VfGH 01.12.1987 G132/87 ua. Zlen, 21.06.1989 G198/88, G234/88). Nur dann, wenn allfällige Fehldispositionen für die Öffentlichkeit, insbesondere für die Volkswirtschaft, bedeutende schädliche Folgen hätten, ist es dem Gesetzgeber erlaubt, regelnd einzugreifen. Eine unrichtige Einschätzung des Bedürfnisses nach einer neuen Kraftfahrlinie trifft nun in erster Linie deren Betreiber wirtschaftlich; die Auswirkungen für die Öffentlichkeit sind nicht gravierender als Fehldispositionen in anderen Wirtschaftszweigen; so können die für das Betreiben der Linie, die sich als unwirtschaftlich erweist, angeschafften Autobusse ohne besondere Schwierigkeiten sinnvoll auch anders eingesetzt werden.
Anders als etwa bei der Binnenschiffahrt, die (nahezu) ausschließlich auf dem öffentlichen Verkehr beruht (vgl. VfGH 09.03.1989 G220, 221,237/88), tritt im Straßenverkehr der Autobusverkehr gegenüber jenem mit PkW deutlich zurück; ob eine - vom Publikum nicht nachgefragte - Autobuslinie (eine gewisse Zeit hindurch) verkehrt oder nicht, ist vom Standpunkt des Umweltschutzes gleichgültig.
Dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, §4 Abs1 Z4 KflG 1952 aufzuheben, wird keine Folge gegeben.
Im Falle der Aufhebung der Z3 des §4 Abs1 KflG 1952 ist es zulässig, bei Vollziehung der Z5 zu klären, ob ein Verkehrsbedürfnis gegeben ist, und diesen Umstand bei Anwendung der Z5 mitzuberücksichtigen. Allerdings ermächtigt das Gesetz nach Aufhebung der Z3 die Behörde nicht mehr dazu, allein wegen des Mangels eines entsprechenden Verkehrsbedürfnisses die Konzession zu versagen; gegen eine bloße Mitberücksichtigung des Verkehrsbedürfnisses als eines der zu beachtenden Sachverhaltselemente hegt der Verfassungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Diese Gesetzesbestimmung erlaubt (nach Aufhebung der vorangehenden Z3) keine isolierte Beachtung des Verkehrsbedürfnisses, sondern lediglich dessen Mitberücksichtigung. Die Behörde ist nach Aufhebung der Z3 nicht (mehr) ermächtigt, allein wegen des mangelnden Verkehrsbedürfnisses die Konzession zu verweigern; vielmehr hat sie bei der Konzessionsverleihung dafür zu sorgen, daß das Verkehrsbedürfnis möglichst zweckmäßig und wirtschaftlich befriedigt wird; nicht das "Ob", sondern das "Wie" hat nun die Behörde zu prüfen. Sie hat zur Erreichung dieser Ziele die Details der Linienführung zu untersuchen und beispielsweise darauf Bedacht zu nehmen, daß die Halte- und Umsteigstellen für das Publikum möglichst zweckmäßig gewählt werden.
(Anlaßfälle: E v 05.12.89, B1742/88, E v 05.12.89, B875/89 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide)
Entscheidungstexte
Schlagworte
Gewerberecht, Kraftfahrlinien Konzessionserteilung, Umweltschutz, Bedarfsprüfung, Erwerbsausübungsfreiheit Eingriff, KonkurrenzschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:G229.1989Dokumentnummer
JFR_10108795_89G00229_01