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70 SchulenNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Recht auf Elementarunterricht in slowenischer Sprache für Minderheitsangehörige in Kärnten - grundsätzlich landesweit - verfassungsgesetzlich gewährleistet; verfassungswidrige Beschränkung der Ausübung dieses Rechtes durch örtliche Festlegung der für Minderheitsangehörige bestimmten Schulen; Erteilung des Unterrichtes nicht für den einzelnen Schüler, sondern für Schülergruppen vorgesehen; außerhalb des autochthonen Siedlungsgebietes Einrichtung der Schulen von tatsächlichem Bedarf abhängig; nachhaltiger Bedarf für Klagenfurt gegebenRechtssatz
Präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1 B-VG sind nicht nur die von der belangten Behörde zwar nicht ausdrücklich zitierten, aber der Sache nach angewendeten landesgesetzlichen (Ausführungs-)Bestimmungen des §1 Abs1 des Gesetzes vom 10.07.1959, LGBl. 44/1959 (über Volksschulen für die slowenische Minderheit), sondern auch die vom Verfassungsgerichtshof zugleich mit diesen landesgesetzlichen Vorschriften anzuwendenden bundesgesetzlichen Grundsatznormen des §10 Abs2 Minderheiten-SchulG f Krnt und die Wortfolge "in den nach §10 in Betracht kommenden Gemeinden Kärntens" in §11 dieses Bundesgesetzes, da die beiden bundesgesetzlichen Bestimmungen untrennbar zusammenhängen.
Losgelöst und unabhängig davon, ob in Übungsschulen zweisprachiger Unterricht erteilt werden (vorgesehen sein) müsse, stellt sich hier die - für die Prüfung der Prozeßvoraussetzungen maßgebende - Frage, ob ein derartiger Unterricht (in Übungsschulen) tatsächlich vorgesehen ist. Diese Frage hat der Verfassungsgerichtshof aber auf Grund der beiden zitierten Gesetze zu beantworten, welche die örtliche Festlegung aller für die Minderheit in Betracht kommenden Volks- und Hauptschulen - in Modifizierung der sonstigen Kompetenzrechtslage - dem Regime der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung zuordnen (§3 Minderheiten-SchulG f Krnt).
Mit Beziehung auf §10 Abs1 des Minderheiten-SchulG f Krnt, war das Normenkontrollverfahren einzustellen, weil diese Norm die Durchführung einer "amtlichen Minderheitenfeststellung" erfordert, zu der es bisher nicht kam. §10 Abs1 des Minderheiten-SchulG f Krnt kann darum auch keine Voraussetzung für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bilden.
Art7 Z2 des StV Wien 1955 ist zureichend determiniert und darum unmittelb anwendbar - Grundrechtsqualität des Rechts auf Elementarunterricht in Slowenisch.
Verfassungsgesetzliche Minderheiten-Schutzbestimmungen, wie sie Art7 Z2 des StV Wien 1955 enthält, dürfen schon vom Regelungszweck her nicht restriktiv ausgelegt werden.
Art7 Z2 leg. cit. gewährleistet (ua.) österreichischen Staatsangehörigen der slowenischen Minderheit in Kärnten ein subjektives (öffentliches) Recht auf Elementarunterricht in slowenischer Sprache, indem den (elementarschulpflichtigen) Minderheitsangehörigen ausdrücklich ein "Anspruch" auf solchen Unterricht verbürgt wird.
Das Recht nach Art7 Z2 des StV Wien 1955 besteht in Kärnten für Minderheitsangehörige grundsätzlich landesweit, eine engere territoriale Bindung kennt die Bundesverfassung nicht: In der Z2 dieser Bestimmung geht es um das bedeutungsmäßig vorrangige und vorgelagerte Recht auf Elementarunterricht in Slowenisch überhaupt: Jedem Kind, das zur slowenischen Minderheit in Kärnten zählt, ist dieses für die weitere Entwicklung unverzichtbare Recht auf Elementarunterricht in der Muttersprache verfassungsgesetzlich gewährleistet.
§10 Abs2 des Minderheiten-SchulG f Krnt, BGBl. 101/1959, war verfassungswidrig.
Die Wortfolge "in den nach §10 in Betracht kommenden Gemeinden Kärntens" in §11 des Minderheiten-SchulG f Krnt, BGBl. 101/1959, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die einfach-bundesgesetzlichen Vorschriften des §10 Abs2 und die Wortfolge "in den nach §10 in Betracht kommenden Gemeinden Kärntens" im §11 des Minderheiten-SchulG f Krnt verstoßen gegen die Verfassungsnorm des Art7 Z2 des StV Wien 1955. Sie bestimmen, daß nur Minderheitsangehörige aus bestimmten Gemeinden Unterricht in slowenischer Sprache erhalten müssen (vgl. §11 Satz 1 Minderheiten-SchulG f Krnt). Demgegenüber gibt aber der Staatsvertrag von Wien den im ganzen Bundesland Kärnten lebenden (elementarschulpflichtigen) Angehörigen der slowenischen Minderheit das Recht auf Inanspruchnahme entsprechender schulischer Einrichtungen. Dies schließt indes nicht mit ein, daß ausnahmslos jeder einzelne Minderheitsangehörige im schulpflichtigen Alter gerade in der Wohnsitzgemeinde in slowenischer Sprache unterrichtet werden müsse. Vielmehr läßt es der Staatsvertrag von Wien zu, in dieser Beziehung Aspekte des tatsächlichen Bedarfs und des ökonomischen Einsatzes öffentlicher Mittel (mit-) zu berücksichtigen.
Art7 Z2 des StV Wien 1955 läßt keinen Zweifel daran, daß der garantierte Elementarunterricht in Unterrichtsanstalten (Schulen) zu gewähren, also jeweils ganzen Schülergruppen zu erteilen ist. Im autochthonen Siedlungsgebiet der slowenischen Minderheit im Bundesland Kärnten (Art7 Z3 des StV Wien 1955) müssen derartige Elementarschulen schon von der Zielsetzung des Art7 des StV Wien 1955 her notwendig für jede Gemeinde bestimmt werden. Außerhalb des autochthonen Siedlungsgebiets der slowenischen Minderheit in Kärnten ist die Einrichtung solcher Schulen nach Wortlaut und Sinngehalt des Staatsvertrages von Wien von einem nachhaltigen, lokalen Bedarf abhängig, folglich nur bei Zustandekommen einer entsprechenden Schülergruppe (unter Umständen aus mehreren Gemeinden) verpflichtend. Ein (nachhaltiger) Bedarf dieser Art ist nach den Ergebnissen des verfassungsgerichtlichen Verfahrens jedenfalls und unbestreitbar in der Landeshauptstadt Klagenfurt zu bejahen.
§1 Abs1 des Gesetzes vom 10.07.1959, mit dem die Grundsatzbestimmungen des Minderheiten-SchulG f Krnt ausgeführt werden, LGBl. für Kärnten Nr. 44/1959, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
§1 Abs1 des Kärntner Ausführungsgesetzes verstößt ebenso gegen Art7 Z2 StV Wien 1955 wie der im gleichen
Erkenntnis als verfassungswidrig festgestellte §10 Abs2 Minderheiten-SchulG f Krnt und die mit ebendiesem Erkenntnis aufgehobene Wortfolge in §11 leg. cit., weil jene Norm als Volksschulen für die slowenische Minderheit nur jene Unterrichtsanstalten bezeichnet, an denen zu Beginn des Schuljahres 1958/59 der Unterricht zweisprachig erteilt wurde, also verhindert, daß auch volksschulpflichtige Minderheitsangehörige, die außerhalb des von §1 des zitierten Landesgesetzes erfaßten Gebietes wohnen, ihr Recht auf Elementarunterricht in Slowenisch durchsetzen können.
(Anlaßfall: E v 15.12.89, B1699/88 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides)
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Minderheiten Schulen, Volksgruppen, Rechte subjektive öffentliche, Rechte verfassungsgesetzlich gewährleisteteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:G233.1989Dokumentnummer
JFR_10108785_89G00233_01