TE Vfgh Beschluss 2004/6/30 B425/04

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Veröffentlicht am 30.06.2004
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33

Leitsatz

Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; kein bloß minderer Grad des Versehens seitens des Beschwerdevertreters

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Beschluss vom 23. Februar 2004, B1527/03, wies der Verfassungsgerichtshof die von der nunmehrigen Antragstellerin erhobene Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, Zl. RV/0512-W/03, vom 29. September 2003, wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist zurück. Dieser Beschluss wurde am 16. März 2004 zugestellt.

2. Mit einem am 30. März 2004 zur Post gegebenen, beim Verfassungsgerichtshof zu Zl. B425/04 protokollierten Schriftsatz begehrt die Antragstellerin nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der genannten Frist und wiederholt die versäumte Prozesshandlung.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der unrichtige Fristvormerk [14. November statt 13. November] für die in Rede stehende Beschwerde von der langjährigen Kanzleileiterin des Beschwerdeführervertreters vorgenommen worden sei. Es handle sich um eine Mitarbeiterin, die beim Beschwerdeführervertreter von Dezember 1992 bis Dezember 2003 beschäftigt gewesen sei und äußerst zuverlässig und gewissenhaft gearbeitet habe, sodass sie mit der selbständigen Fristenwahrung betraut gewesen sei.

Bei diesem Fehler handle es sich um einen solchen, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehen könne, sodass ein die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindernder minderer Grad des Versehens vorliege. Die besonderen Umstände lägen im vorliegenden Fall darin, dass in die Zeit der Zustellung des angefochtenen Bescheides und damit der Terminvormerkung die Auflösung bzw. die Vorbereitungsarbeiten zur Auflösung der Kanzleigemeinschaft zwischen dem nunmehrigen (alleinigen) Beschwerdeführervertreter und seinem langjährigen Kanzleipartner gefallen seien. Damit seien einerseits umfangreiche Kanzleiarbeiten verbunden gewesen, andererseits habe auf Grund der langjährigen Zusammenarbeit zwischen den Kanzleipartnern und der Kanzleileiterin eine besondere emotionale Situation vorgelegen, die das Versehen der Kanzleileiterin um so verständlicher erscheinen lasse.

Der Beschwerdeführervertreter habe die Beschwerde bereits am Wochenende vor Freitag, dem 14. November 2003, diktiert. Dieses Diktat sei dann im Laufe der Woche geschrieben worden und ihm am 12. November 2003 (sohin noch innerhalb der Beschwerdefrist) zu Unterfertigung vorgelegt worden. Auf Grund der langjährigen Zuverlässigkeit der Kanzleileiterin habe er keine Veranlassung gesehen, die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeführung zu überprüfen, zumal einerseits die Kanzleileiterin mit der selbständigen Fristenwahrung betraut gewesen sei und andererseits es durch mehr als zehn Jahre hindurch zu keinerlei Fristversäumnissen gekommen sei.

3. Als Bescheinigungsmittel für die geschilderten Vorgänge, die zur Fristversäumung führten, liegen dem Antrag eidesstättige Erklärungen des Beschwerdeführervertreters und seiner ehemaligen Kanzleileiterin bei.

II. Der - rechtzeitig gestellte - Antrag ist nicht begründet:

1. Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde, und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. z.B. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988, 12.261/1990, 12.372/1990, 13.528/1993, 14.157/1995).

2. Beim Verschulden des Vertreters der Beschwerdeführerin handelt es sich nicht bloß um einen minderen Grad des Versehens im oben dargestellten Sinn. Wie der Beschwerdeführervertreter selbst ausführt, wurde ihm der Akt rechtzeitig innerhalb der Beschwerdefrist zur Bearbeitung und nochmals (wieder rechtzeitig innerhalb der Beschwerdefrist) zur Unterschrift vorgelegt. Dabei hätte er bei gebotener Sorgfalt erkennen müssen, dass die Frist zur Einbringung der Beschwerde bereits am 13. November 2003 ablaufen würde, zumal in der (ursprünglich eingebrachten) Beschwerde selbst genaue Angaben über den Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides und die "Rechtzeitigkeit" der Einbringung der Beschwerde getroffen wurden.

3. Dieser Beschluss konnte gemäß §33 zweiter Satz VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B425.2004

Dokumentnummer

JFT_09959370_04B00425_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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