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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z8 B-VG Art15 Abs1 B-VG Art119a Abs9 B-VG Art144 Abs1 / Legitimation Nö ROG 1976 §1 Abs2 Z7 Nö ROG 1976 §14 Abs2 Z10 Nö ROG 1976 §21 Abs5 Z2Leitsatz
Keine Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Schaffung einer - verdeckten - gewerblichen Zulassungsregel für sogenannte Einkaufszentren (nach Maßgabe des Lokalbedarfs) in einem Raumordnungsgesetz; grundsätzliche Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Erlassung einer gewerberechtlichen BedarfsprüfungsregelungRechtssatz
Da es sich bei dem bekämpften Verwaltungsakt (Versagung der Genehmigung (einer Änderung) des örtlichen Raumordnungsprogrammes) um einen in letzter Instanz ergangenen aufsichtsbehördlichen Bescheid handelt, geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die Stadtgemeinde - als Partei dieses Administrativverfahrens - kraft Art119a Abs9 B-VG zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG legitimiert ist (vgl. VfGH 5.3.1988 B890/86; s. auch VfSlg. 11.163/1986). Dabei darf die Gemeinde einen solchen aufsichtsbehördlichen Bescheid (auch) wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Beschwerde ziehen.
Die Wortfolge "oder die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes" in §21 Abs5 Z2 des (Niederösterreichischen) Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-5, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Der in Prüfung genommenen Regelung kann nicht attestiert werden, daß sie - wie §1 Abs2 Z7 Nö ROG 1976 - das Streben nach ausreichender Versorgung der Bevölkerung (mit Gütern und Leistungen des täglichen Bedarfs) nur als eines von mehreren - im wesentlichen gleichgeordneten und gleichbedeutenden - Leitzielen wertet, die eine entsprechende Abwägung verlangen. Vielmehr legt die in Rede stehende Wortfolge des §21 Abs5 Z2 Nö ROG 1976 nach dem klaren und unmißverständlichen Gesetzestext fest, daß Einkaufszentren dort - und nur dort - zuzulassen sind, wo keine anderen Betriebe (in umliegenden Gemeinden) dadurch in ihrer Existenz gefährdet werden.
Der hier gegebene Regelungsinhalt (: Bedarfsdeckung) ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs unter den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes" (Art10 Abs1 Z8 B-VG) zu subsumieren: Denn die Standortplanung, wie sie §21 Abs5 Z2 Nö ROG 1976 vorsieht, ist untrennbar an Voraussetzungen gebunden, die mit dem gewerblichen Lokalbedarf vollkommen identisch sind. Wird die Nahversorgung anderer Gemeinden, die Bedarfsdeckung in diesen Gebieten, gefährdet, ist nämlich eine Sonderwidmung für Einkaufszentren jedenfalls unzulässig, und zwar ganz unabhängig von anderen - hier überhaupt nicht mehr in eine abwägende Betrachtung (mit-)einzubeziehenden - Planungszielen, mögen sie auch noch so bedeutsam sein.
Daß Einkaufszentren, wie die Landesregierung betont, auch andere Warengruppen vertreiben (§17 Abs1 Nö ROG 1976), bleibt im gegebenen Zusammenhang bedeutungslos; genug daran, daß dann, wenn die Bedarfsprüfung in Beziehung auf Güter des täglichen Bedarfs negativ ausfällt, das (auch) Einkaufszentren vorsehende örtliche Raumordnungsprogramm keinesfalls genehmigt werden darf. Der Hinweis der Landesregierung auf den weiteren Versagungstatbestand des §21 Abs5 Z2 Nö ROG (: Beeinträchtigung der "geordnete(n) wirtschaftliche(n), kulturelle(n) und soziale(n) Entwicklung") geht schon deswegen fehl, weil es sich um eine völlig eigenständige (Versagungs-)Voraussetzung handelt, die mit dem strittigen Versagungsgrund (Gefährdung der Nahversorgung) nicht vermengt werden kann (arg. "oder").
Daß im Bauland-Wohngebiet gemäß §14 Abs2 Z10 Nö ROG 1976 Flächen für Einrichtungen für die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs vorzusehen sind, ändert nichts an der grundsätzlichen Kompetenz des Bundes-, nicht aber des Landesgesetzgebers zur Erlassung einer gewerberechtlichen Bedarfsprüfungsregelung.
Materiell und zusammenfassend gesehen, schafft also der Landesgesetzgeber eine - verdeckte - gewerbliche Zulassungsregel für sogenannte Einkaufszentren (nach Maßgabe des Lokalbedarfs), die - im Hinblick auf das offenbar befürchtete Ausufern der Zahl dieser Betriebsstätten - gewerberechtspolitisch erwünscht sein mag, wofür er jedoch nach den Kompetenzbestimmungen des B-VG nicht zuständig ist.
(Anlaßfall: B419/89, Ev 01.03.90 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides)
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Gemeinderecht, Selbstverwaltungsrecht Aufsichtsrecht, Genehmigung, Baurecht, Raumordnung, Kompetenz Bund-Länder RaumplanungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:G319.1989Dokumentnummer
JFR_10099699_89G00319_01