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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz B-VG Art91 B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand Wr AnzeigenabgabeG 1983 §9Leitsatz
Verfassungswidrigkeit der Strafe für Abgabenverkürzungen nach dem Wr. Anzeigenabgabegesetz aufgrund der möglichen Höhe der Geldstrafe bis zum Fünfzigfachen des Verkürzungsbetrages; Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums; Zugehörigkeit einer solchen Strafdrohung zum Kernbereich der StrafgerichtsbarkeitRechtssatz
§9 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, LGBl. Nr. 22, war verfassungswidrig. §9 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, LGBl. Nr. 22, in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 29/1984 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die wiederverlautbarte Rechtsvorschrift erhält durch einen rechtmäßigen Wiederverlautbarungsakt ihre endgültige Fassung und es wird die frühere bedeutungslos (nur dort, wo der Akt der Wiederverlautbarung als gesetzwidrig aufgehoben wurde, kommt die verdrängte Fassung der Rechtsvorschrift zur Geltung); es liegt eine einzige, im Geltungsbereich nicht veränderte Vorschrift vor, die - weil sie nur mehr in der neuen Fassung in Erscheinung tritt - auch nur in dieser Fassung Gegenstand der Prüfung gemäß Art140 B-VG sein kann (s. VfSlg. 6775/1972; 6281a/1970, 6282/1970). Im Hinblick auf diese auch hier beizubehaltende Judikatur wertet der Verfassungsgerichtshof den vom Verwaltungsgerichtshof unter A31/89 gestellten Antrag dahin, daß ein - in Ansehung des Verwaltungsgeschehens - bloß unterschiedlich formuliertes, der Sache nach aber einheitliches Begehren vorliegt, welches auf Aufhebung des §9 des Wr. AnzeigenabgabeG 1983 idF vor der Novelle LGBl. 29/1984 abzielt.
Bezüglich des Umfangs, in dem die angefochtenen Gesetzesstellen des §9 Wr. AnzeigenabgabeG 1983 als präjudiziell anzusehen sind, bleibt der Verfassungsgerichtshof auf dem in seinem Beschluß G28,29/89 vom 5. Dezember 1989 - mit vergleichender Bezugnahme auf sein §35 des VergnügungssteuerG für Wien 1963 betreffendes Erk. G6/89 (und weitere Zahlen) - eingenommenen Standpunkt, daß die Absätze 1 und 2 des §9 AnzeigenabgabeG - vom jeweiligen in der Beschwerdesache heranzuziehenden Abs1 her gesehen - eine nicht trennbare Einheit bilden.
Der Verfassungsgerichtshof verweist auf die Entscheidungsgründe seines (u.a. aufgrund des - vom Verwaltungsgerichtshof zitierten - Einleitungsbeschlusses in der Beschwerdesache B744/87 gefällten) Erkenntnisses G6/89 (und weitere Zahlen) vom 27. September 1989, mit dem ausgesprochen wurde, daß §35 des VergnügungssteuerG für Wien 1963, LGBl. 11, (idF der Novellen LGBl. 37/1976 und 16/1981) verfassungswidrig war. Die in diesem Erkenntnis in bezug auf die Verfassungswidrigkeit des §35 des VergnügungssteuerG für Wien 1963 (welcher in seinem Abs1 die Verhängung einer Geldstrafe bis zum Dreißigfachen des Verkürzungsbetrages vorsah) angestellten Erwägungen treffen auch für die vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bestimmungen des Wr. Anzeigenabgabegesetzes 1983 (in den Fassungen vor und nach der Novelle LGBl. 29/1984) sinngemäß voll zu, und zwar umso mehr, als diese Vorschriften die Bestrafung mit einer Geldstrafe bis sogar zum Fünfzigfachen des Verkürzungsbetrages vorsehen.
Kein Eingehen auf die allgemeine Frage nach der verfassungsrechtlich zulässigen Obergrenze einer am Verkürzungsbetrag orientierten Verwaltungsstrafe.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung gegen die einschlägigen, von den Abgabenbehörden zu vollziehenden Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert.
Die geprüften Gesetzesvorschriften verstoßen sohin sowohl gegen die aus Art91 B-VG abzuleitenden Grundsätze als auch gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsgegenstand, Anzeigenabgaben, Wiederverlautbarung, Auslegung eines AntragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:G314.1989Dokumentnummer
JFR_10099699_89G00314_01