RS Vfgh 1990/3/1 V60/89

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Veröffentlicht am 01.03.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
AHG §1, §2
KFG 1967 §61 Abs5
Verwaltungsverordnung des BMI vom 30.8.1972, Z15.201/16-13/72

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags eines Gerichts auf Aufhebung einer Verwaltungsverordnung mangels Präjudizialität; antragstellendes Gericht hat den bekämpften Erlaß keinesfalls anzuwenden; Prüfungsgegenstand vor dem VfGH könnte jedoch auch Verwaltungsverordnung sein

Rechtssatz

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 3142/1957, 7585/1975, 9061/1981, 9416/1982) versteht man unter einer Verordnung die von einer Verwaltungsbehörde erlassene generelle Rechtsnorm; das bedeutet, daß sich der Akt an eine allgemein bestimmte Vielzahl von Personen richten und für diese unmittelbar rechtsverbindlich sein muß.

Der zur Prüfung beantragte Erlaß des BMI (einer Verwaltungsbehörde) wendet sich imperativ unmittelbar an alle Bundespolizeibehörden; seine Qualifikation als Verordnung bedarf sohin keiner weiteren Begründung.

Der BMI wendet sich mit dem angefochtenen Erlaß (in Ausübung seiner Dienstaufsicht) ausschließlich an die ihm unterstehenden Bundespolizeibehörden; sie werden generell angewiesen, bestimmte Sammelfernschreiben zu unterlassen (und nicht etwa, Bescheiden einen bestimmten Inhalt zu geben); damit werden lediglich Dienstpflichten der Organwalter dieser Behörden begründet, nicht aber Rechte oder Pflichten sonstiger Personen. Dieser Erlaß ist sohin als Verwaltungsverordnung einzustufen. Damit unterscheidet er sich von jenen Erlässen, die wegen ihrer sich auch für die Allgemeinheit ergebenden Rechtswirkungen vom Verfassungsgerichtshof als Rechtsverordnungen qualifiziert wurden (vgl. zB VfSlg. 8647/1979, 8648/1979, 8807/1980, 9416/1982, 10170/1984, 10607/1985, 10728/1985, 11467/1987).

Gegenstand einer Normenprüfung nach Art139 B-VG können aber nicht bloß Rechtsverordnungen, sondern ebenso Verwaltungsverordnungen sein (vgl. zB VfSlg. 1636/1948, 1692/1948, 2556/1953, 2660/1954, 6291/1970, 8255/1978, 8602/1979). Sowohl Rechtsverordnungen als auch Verwaltungsverordnungen sind sohin nach Art139 B-VG beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbar, sofern nur auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen.

Das Gericht hat bei Entscheidung über eine auf das AHG gestützte Klage zu beurteilen, ob sich Organe des beklagten Rechtsträgers rechtswidrig verhalten haben und ob dadurch dem Kläger ein Schaden entstanden ist, hier also, ob es Organe des Bundes - unter Verletzung des §61 Abs5 KFG - unterlassen haben, die Kennzeichentafeln einzuziehen. Es hat weiters - und hierin ist dem antragstellenden LGfZRS Wien beizupflichten - zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Einziehung des Kennzeichens zumutbar sind. Ob aber ein haftungsbegründendes, schuldhaftes Verhalten dem einen oder dem anderen Organ(walter) desselben Rechtsträgers zur Last zu legen ist, ist für die Entscheidung des Amtshaftungsgerichtes ohne Belang (vgl. den in einer dem Anlaßfall ähnlichen Rechtssache ergangenen Beschluß des OLG Wien vom 20.5.1988, 14 R 265/87).

Für die vom anfechtenden Amtshaftungsgericht im Anlaßfall zu treffende Entscheidung ist es also völlig unmaßgebend, ob Organwalter der Bundespolizeidirektion Wien die Hinausgabe eines Sammelfernschreibens aus eigenem Antrieb oder in Befolgung der generellen innenministeriellen Weisung unterließen.

Es ist daher ausgeschlossen, daß das LGfZRS Wien im Anlaßfall den bekämpften Erlaß anzuwenden hätte.

Entscheidungstexte

  • V 60/89
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 01.03.1990 V 60/89

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsgegenstand, Verordnungsbegriff, RechtsV, VerwaltungsV, Kraftfahrrecht, Haftpflichtversicherung, Amtshaftung, Behörde, Organe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:V60.1989

Dokumentnummer

JFR_10099699_89V00060_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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