RS Vfgh 1990/3/2 V34/89

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 02.03.1990
beobachten
merken

Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art18 Abs2 StVO 1960 §43 Abs1 litb StVO 1960 §96 Abs2 Verordnung der BH Mödling vom 3.5.1966. ZX-L-35/1-1966, mit der "auf der ehemaligen Bundesstraße 16 im Bereich des Erholungszentrums der Laxenburg Betriebsges.m.b.H, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h jeweils 100 m vor den Einfahrten" verfügt wurde

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Verordnung, mit der eine Geschwindigkeitsbegrenzung verfügt wurde, mangels Erforderlichkeit; Pflicht der Behörde zur Überprüfung und Anpassung solcher Verordnungen

Rechtssatz

Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 3.5.1966, ZX-L-35/1-1966, mit der "auf der ehemaligen Bundesstraße 16 im Bereich des Erholungszentrums der Laxenburg Betriebsges.m.b.H. eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h jeweils 100 m vor den Einfahrten" verfügt wurde, war gesetzwidrig.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner bereits in den Erkenntnissen VfSlg. 8212/1977 und 8329/1978 vertretenen Rechtsauffassung, wonach in Fällen, in denen das Gesetz dem Verordnungsgeber aufträgt, seine Entscheidung an sich ändernden Situationen zu orientieren, der Verordnungsgeber verhalten ist, nach Verordnungserlassung fallweise zu untersuchen, ob die Annahmen, von denen er bei Verordnungserlassung ausgegangen ist, noch zutreffen. Eine Verordnung wird sohin gesetzwidrig, wenn der Grund zu ihrer Erlassung inzwischen weggefallen ist. Für straßenpolizeiliche Verordnungen hat der Gerichtshof insbesondere in VfSlg. 9588/1982 dargetan, daß diese durch Änderung des Sachverhaltes gesetzwidrig werden können, mögen sie auch im Zeitpunkt ihrer Erlassung gesetzmäßig gewesen sein. Zwar muß die Anpassung einer Verordnung an den geänderten Sachverhalt nicht unverzüglich erfolgen. Vielmehr ist dem Verordnungsgeber hiefür eine gewisse Zeitspanne zuzubilligen. Die Verzögerung ist jedoch im allgemeinen nur solange tolerabel, bis der Verordnungsgeber von der Änderung des Sachverhaltes Kenntnis erlangte oder erlangen mußte, und es ihm sodann zumutbar ist, die Anpassung der Norm vorzunehmen.

Die Verletzung der durch §96 Abs2 StVO 1960 ausgesprochenen Verpflichtung der Behörde, alle zwei Jahre alle angebrachten Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen, begründet für sich allein noch keine Gesetzwidrigkeit jener Verordnungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, bei denen die Kontrolle nach §96 Abs2 StVO 1960 unterblieben ist (unter Berufung auf VfSlg. 9588/1982).

Die Verordnung ist gesetzwidrig, weil sie zumindest zum Zeitpunkt ihrer Übertretung durch die Beschwerdeführerin im Anlaßbeschwerdeverfahren, das war am 22.5.1986, im Sinne des §43 Abs1 litb StVO 1960 von den dort aufgezählten Voraussetzungen her nicht mehr erforderlich war.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt an, daß die in der Verhandlungsschrift vom 2.3.1987 festgestellte Verkehrssituation einschließlich des in den Jahren zuvor beobachteten Unfallgeschehens lediglich eine

70 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung für die Zeit vom 1.4. bis 31.10. eines jeden Jahres im Sinne des §43 Abs1 litb StVO 1960 "erforderte".

(Anlaßfall B1188/88, Ev 03.03.90 - Aufhebung des Strafbescheides wegen Rechtsverletzung durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung)

Entscheidungstexte

Schlagworte

Straßenpolizei, Geschwindigkeitsbeschränkung Verordnung, Verordnungserlassung, Invalidation, Anpassungspflicht (des Normgebers)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:V34.1989

Dokumentnummer

JFR_10099698_89V00034_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten