RS Vfgh 1990/3/3 G2/90, G3/90, G4/90, G5/90, G6/90, G7/90, G31/90

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Veröffentlicht am 03.03.1990
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Index

55 Wirtschaftslenkung

Norm

B-VG Art18 Abs1 B-VG Art49 B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität B-VG Art140 Abs5 B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG Art148e MarktordnungsG-Nov 1988 ArtVII Abs1

Leitsatz

Aufhebung einer Übergangsbestimmung in ArtVII Abs1 der MarktordnungsG-Novelle 1988; Verfassungswidrigkeit der Verweisung auf nicht in einem dem Bundesgesetzblatt gleichwertigen Kundmachungsblatt kundgemachte Rechtsvorschriften bzw. auf Normen ohne Anführung der Fundstelle; Präjudizialität gegeben; vom Geltungsbereich der in Prüfung gezogenen Bestimmung erfaßte Verordnungen als Grundlage der in den Anlaßverfahren angefochtenen Bescheide; Erstreckung der Anlaßfallwirkung für eine beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdesache nach im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen zu spät eingelangtem und daher formell in das Gesetzesprüfungsverfahren nicht mehr einbezogenem Gesetzesprüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes

Rechtssatz

Die Wortfolge "Verordnungen (allgemein verbindliche Anordnungen) der Verwaltungskommissionen der Fonds gelten als Bundesgesetze bis zur Erlassung neuer Verordnungen durch die zuständigen Organe der Fonds weiter und" in ArtVII Abs1 der MarktordnungsG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 330, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Verfassungsgerichtshof nahm betreffend das auf Antrag der Volksanwaltschaft eingeleitete Verfahren an, daß er bereits zur Prüfung der Prozeßvoraussetzungen, nämlich ob es sich bei der von der Volksanwaltschaft nach Art148e B-VG bekämpften Norm um eine Verordnung handle, die in Prüfung gezogene Wortfolge anzuwenden haben dürfte, sodaß sie für das Verfahren präjudiziell sei.

Bei Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in seinen Rechten verletzt wurde, hat der Verfassungsgerichtshof auch zu beurteilen, welcher Rang im Stufenbau der Rechtsordnung den Normen zukommt, auf denen der angefochtene Bescheid beruht. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof auch die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden, da die angefochtenen Bescheide jeweils auf Verordnungen beruhten, die vom Geltungsbereich der in Prüfung gezogenen Bestimmung erfaßt wären.

Die in Prüfung gezogene Bestimmung betrifft nicht nur Verordnungen der Verwaltungskommissionen selbst, sondern auch solche der geschäftsführenden Ausschüsse, die von der Verwaltungskommission delegiert wurden.

Nach Art49 B-VG sind Gesetze - entsprechend ihrer rechtsstaatlichen Funktion - stets in einem für die Publikation von Gesetzen verfassungsrechtlich vorgesehenen Publikationsorgan der Allgemeinheit kundzumachen und nicht nur jenem Personenkreis, der vornehmlich als Adressat des Gesetzes in Betracht kommt (vgl. auch VfSlg. 2750/1954, S. 365). Ansonsten hätte es auch der Norm des Art49 Abs2 B-VG für die Kundmachung von Staatsverträgen nicht bedurft.

ArtVII der MarktordnungsG-Novelle 1988 ist daher in dem in Prüfung gezogenen Umfang verfassungswidrig, weil er entgegen Art49 B-VG auf Rechtsvorschriften verweist, die nicht in einem dem Bundesgesetzblatt gleichwertigen Kundmachungsblatt verlautbart wurden, und gegen Art18 B-VG verstößt, weil er auf in einem anderen Verlautbarungsblatt kundgemachte Normen verweist, ohne deren Fundstelle anzuführen.

Von der Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gemäß Art140 Abs5 B-VG sah der Verfassungsgerichtshof ab, weil dem Gerichtshof nicht erkennbar ist, welche gesetzlichen Vorkehrungen im Falle der Aufhebung erforderlich sein sollten.

Eine formelle Einbeziehung des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes (G 31/90) in das Gesetzesprüfungsverfahren war im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich.

Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch beschlossen, von der ihm gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und (mit dem vorletzten Absatz des Spruches) die Anlaßfallwirkung auch für diese beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdesache herbeizuführen.

Damit erübrigt sich eine weitere Erledigung des vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Gesetzesprüfungsantrages.

Entscheidungstexte

  • G 2-7/90,G 31/90
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 03.03.1990 G 2-7/90,G 31/90

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Fristsetzung, Gesetz, Verordnung, Kundmachung, Verweisung, Geltungsbereich eines Gesetzes, Rechtsquellensystem, Marktordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:G2.1990

Dokumentnummer

JFR_10099697_90G00002_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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