RS Vfgh 1990/3/6 B802/89

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Veröffentlicht am 06.03.1990
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50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verw.akt StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung GewO 1973 §173 Abs1 GewO 1973 §173 Abs1 Z5

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses juristischer Personen vom Rauchfangkehrergewerbe; Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsprüfung

Rechtssatz

Abweichungen vom allgemeinen Grundsatz der Gewerberechtsfähigkeit für physische und juristische Personen sind nicht für sich verfassungswidrig, sondern nur dann, wenn sie sachlich nicht gerechtfertigt werden können.

Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber des §173 Abs1 GewO aber den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Die öffentlichen Aufgaben, die Rauchfangkehrer zu besorgen haben und ihre verwaltungspolizeilichen Befugnisse rechtfertigen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nämlich in der Tat eine Regelung, die eine starke Personalisierung der Gewerbeausübung in diesem Bereich bezweckt und bewirkt. Dem Gesetzgeber ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegenzutreten, wenn er eine Regelung erläßt, die bewirkt, daß die Mitwirkung an der Besorgung von verwaltungspolizeilichen Aufgaben insbesondere in den Bereichen des vorbeugenden Brandschutzes und der Luftreinhaltung, zu der die Rauchfangkehrer in bedeutendem Umfang herangezogen werden, unmittelbar physischen Personen als Gewerbeinhabern, deren Arbeiten sich auf eine begrenzte Anzahl von Kehrbezirken erstreckt, zugerechnet werden kann und somit juristische Personen ausschließt.

Wie jede Bedarfsprüfung dient auch die in §173 Abs1 Z5 GewO 1973 vorgesehene Regelung, daß eine Konzession zu versagen ist, wenn für die beabsichtigte Tätigkeit kein Bedarf besteht, dem Schutz bestehender Unternehmungen vor zusätzlicher Konkurrenz. Einen solchen Konkurrenzschutz hat der Verfassungsgerichtshof nur dann als mit dem Grundrecht der Erwerbsfreiheit vereinbar angesehen, wenn besondere Gründe für eine derartige Einschränkung sprechen.

Nun rechtfertigt es die öffentliche Inpflichtnahme der Rauchfangkehrer im Interesse des vorbeugenden Brandschutzes und des Umweltschutzes, die auch in einer Betriebspflicht (§176 Abs3 GewO 1973) ihren Ausdruck findet, die Erwerbsfreiheit neuer Bewerber im Interesse des Schutzes bestehender Rauchfangkehrerunternehmen und der von ihnen betreuten Objekte einzuschränken. Das bestehende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Rauchfangkehrerunternehmen rechtfertigt auch deren Schutz vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Denn es könnte etwa im Falle eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs eines Rauchfangkehrerunternehmens zu einer Situation kommen, in der die genannten öffentlichen Interessen - zumindest zeitweise - gefährdet wären (so insbes. dann, wenn gem. §176 Abs1 letzter Satz ein Kehrbezirk für nur einen Rauchfangkehrer eingerichtet ist). Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, daß im Falle eines uneingeschränkten Wettbewerbs eine freie Konkurrenz zu Lasten der gewissenhaften Besorgung der feuerpolizeilichen Aufgaben durch die Rauchfangkehrer gehen könnte, wodurch öffentliche Interessen ebenfalls gravierend beeinträchtigt werden würden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Person juristische, Gewerberecht, Rauchfangkehrergewerbe Gewerbeberechtigung, Lokalbedarf, Umweltschutz, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B802.1989

Dokumentnummer

JFR_10099694_89B00802_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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