RS Vfgh 1990/3/7 B1601/88, B116/90

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Veröffentlicht am 07.03.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb StPO §175 StPO §176 Abs1 VfGG §88 Wr BauO 1930 §129 Abs6

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine aufgrund eines richterlichen Befehls erfolgte polizeiliche Festnahme und Haftanhaltung sowie gegen das polizeiliche Eindringen in eine Wohnung mangels Zuständigkeit des VfGH; keine Zuständigkeit des VfGH zur Überprüfung einer in Besorgung privatwirtschaftlicher Aufgaben erfolgten Zerstörung von Wohnräumen und des Entzugs persönlicher Habseligkeiten

Rechtssatz

Die Beschwerden gegen die polizeiliche Festnahme und Haftanhaltung, ferner gegen das polizeiliche Eindringen in die Wohnung im Haus 1060 Wien, Aegidigasse Nr. 13, sowie gegen die Zerstörung der Wohnräume und den Entzug persönlicher Habseligkeiten durch Abtragung dieses Gebäudes werden zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer wurde in Befolgung eines - wenn auch zunächst nur mündlich erteilten (VfSlg. 7203/1973, 9616/1983) - richterlichen Auftrags festgenommen. Das bedeutet, daß die bekämpfte Festnahme - ebenso wie das dazu erforderlich gewesene, allein schon durch den Hausdurchsuchungsbefehl gedeckte Eindringen in das verbarrikadierte Gebäude Aegidigasse Nr. 13 unter Einsatz technischer Mittel - dem zuständigen Gericht, d.i. das Landesgericht für Strafsachen Wien - nicht jedoch jener Verwaltungsbehörde, deren Organe in Vollziehung der Anordnung des Journalrichters einschritten - , zuzurechnen und darum (als polizeiliche Maßnahme aufgrund und in Gemäßheit eines Aktes der Gerichtsbarkeit) der Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof entzogen ist.

Hätten Sicherheitsorgane die Festnahmen im Verlauf des Polizeieinsatzes nicht in Befolgung einer richterlichen Weisung, sondern aus eigener Machtvollkommenheit verfügt (§177 StPO), wäre eine schriftliche Ausfertigung richterlicher Haftbefehle überhaupt nicht in Betracht gekommen, die Vorgangsweise des Journalrichters, der ja solche schriftliche Haftbefehle iS des §176 Abs1 StPO nachträglich ausstellte, also geradezu unerklärlich.

(Siehe auch: B1622/88, B1624/88, B1632-1634/88, B1635/88, B1637/88, B1638/88, B1639/88, B1646/88, B1648/88 vom selben Tag)

Der Abbruch des besagten Hauses, das im Eigentum der Bundeshauptstadt Wien stand, wurde auf Grund einer - bis 31. Dezember 1989 verlängerten - (baubehördlichen) Bewilligung vom 25. Juni 1985 privatwirtschaftlich besorgt. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß dieser Maßnahme eine (baubehördliche) Anordnung iSd §129 Abs6 der Bauordnung für Wien zugrunde lag (vgl. auch VwGH 27.6.1989 Z89/05/0019).

Unter diesen Umständen entsprechen aber jene Handlungen, die möglicherweise das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers an ihm gehörenden beweglichen Sachen verletzten, keinesfalls der Ausübung einer b e h ö r d l i c h e n Befehls- und Zwangsgewalt.

(Siehe auch: B1622/88, B1635/88, B1636/88, B1646/88 vom selben Tag)

Da sich die Entscheidung nicht auf alle Beschwerdefakten bezieht, konnten nur 2/3 des von der Bundespolizeidirektion Wien für die Erstattung der Gegenschrift begehrten Betrages zugesprochen werden. Des weiteren war zu beachten, daß der Verfassungsgerichtshof die Beweistagsatzungen zur Klärung der Frage, ob ein richterlicher Auftrag zur Festnahme (und erkennungsdienstlichen Behandlung) vorlag, nicht nur aus Anlaß dieser Beschwerde, sondern auch aus Anlaß von sechzehn weiteren Beschwerden durchgeführt hatte; somit konnten für die Intervention des Vertreters der (in all den siebzehn Beschwerdeverfahren als belangte Behörde auftretenden) Bundespolizeidirektion Wien bei diesen Beweiserhebungen nicht die (pro Beschwerdeverfahren und Beweistagsatzung) begehrten 12.500 S, sondern bloß 1/17 dieses (um den 50 %-igen Streitgenossenzuschlag erhöhten) Betrages zuerkannt werden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Festnehmung, richterlicher Befehl, Privatwirtschaftsverwaltung, Baupolizei, Abbruchauftrag, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1601.1988

Dokumentnummer

JFR_10099693_88B01601_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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