RS Vfgh 1990/3/14 V104/89, V105/89, V106/89

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Veröffentlicht am 14.03.1990
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Index

L3 Finanzrecht
L3701 Getränkeabgabe, Speiseeissteuer

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Getränkesteuer-Ordnung der Stadt Linz, Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz vom 27. März 1950 §4 Abs2
Oö Gemeinde-GetränkesteuerGNov 1988

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit des §4 Abs2 der Getränkesteuer-Ordnung der Stadt Linz über die Einbeziehung des Wertes der Verpackung in die Steuerbemessungsgrundlage; kein Abgabenerfindungsrecht der Gemeinden; Gesetzlosigkeit bis zur Erlassung der Oö. Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988; dann Konvalidation

Rechtssatz

Sowohl nach der Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 (in Kraft getreten am 1. April 1988) als auch nach der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 26. April 1988 (in Kraft getreten am 1. Mai 1988) trat die Fälligkeit der durch die Einführung des neuen Steuertatbestandes geschaffenen Abgabe - auch für die in der Vergangenheit verwirklichten Sachverhalte - erst mit Inkrafttreten der Novellen ein.

Die Behörde ist in zwei Anlaßfällen nicht davon ausgegangen, daß die vorgeschriebene Getränkesteuer aufgrund der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 14. Juni 1984 schon fällig gewesen sei; sie hat diese Verordnung somit nicht angewendet.

Die Verordnungsprüfungsverfahren V105/89 und V106/89 sind daher einzustellen.

Im dritten Anlaßbeschwerdeverfahren wurde die Getränkesteuer für mitverkaufte Verpackung aufgrund der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle vorgeschrieben; dem Steuerpflichtigen wurde auch ein Säumniszuschlag vorgeschrieben, weil er seiner Steuerpflicht aufgrund der damals maßgeblichen Rechtslage nicht entsprochen hatte. Auch wenn mit dem angefochtenen Bescheid einer Vorstellung Folge gegeben wurde, wird die Behörde bei Erlassung eines Ersatzbescheides die in Prüfung gezogene Verordnung, solange sie dem Rechtsbestand angehört, anzuwenden haben; dies allein schon deshalb, weil die Prüfung der Vorschreibung des Säumniszuschlages (ebenfalls) eine Anwendung der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle erforderlich macht, solange sie dem Rechtsbestand angehört. Im Verfahren V104/89 ist die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle somit präjudiziell.

§4 Abs2 der Getränkesteuer-Ordnung der Stadt Linz, Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz vom 27. März 1950 (Sondernummer) in der Fassung der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 14. Juni 1984, Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz Nr. 12/1984, war bis 31. März 1988 gesetzwidrig.

Wie die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts dargelegt haben (siehe VfSlg. 9804/1983 und die Erkenntnisse des VwGH vom 27.3.1987, Z 83/17/0247, vom 27.3.1987, Z 83/17/0056 und vom 18.9.1987, Z 87/17/0262), ist die Einbeziehung des Wertes der Verpackung - unter den in diesen Erkenntnissen genannten Voraussetzungen (vgl. insbesondere VfSlg. 9804/1983, S. 160 Abs1 und 2) - in die Steuerbemessungsgrundlage für die Getränkesteuer, und zwar aufgrund des Abgabenerfindungsrechtes der Länder, gerechtfertigt. Da der oberösterreichische Landesgesetzgeber vor der Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 von seinem Abgabenerfindungsrecht durch Erlassung einer landesgesetzlichen Regelung, die den Wert der Verpackungen in die Steuerbemessungsgrundlage der Getränkesteuer einbezog, keinen Gebrauch gemacht hatte, handelt es sich somit bei der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle keineswegs um eine (bloße) Vervollständigung oder Konkretisierung einer abgabenrechtlichen Bestimmung des Landesgesetzgebers. Die in Prüfung gezogene Regelung würde also ein Abgabenerfindungsrecht der Gemeinden voraussetzen. Ein solches ist jedoch zu verneinen (s. Bauer/Wolny in Fröhler/Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, 1987, Punkt 3.10.1.3.) und wird auch vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz nicht behauptet. Die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung wurde daher ohne rechtliche Grundlage erlassen. Sie war bis zur Erlassung der Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 somit gesetzlos.

§4 Abs2 Getränkesteuer-Ordnung der Stadt Linz, Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz vom 27. März 1950 ist hinsichtlich der Einbeziehung des Wertes der Verpackung in die Bemessungsgrundlage mit dem Inkrafttreten der Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 konvalidiert, weil der Landesgesetzgeber mit dieser Novelle vom Abgabenerfindungsrecht Gebrauch machte und durch Art. I der Novelle den Wert der mitverkauften Verpackung in das steuerpflichtige Entgelt einbezog. Da die genannte Novelle am 30. März 1988 mit Wirksamkeit für den folgenden Monatsersten im Landesgesetzblatt kundgemacht wurde, ist die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle mit 1. April 1988 konvalidiert.

Rückwirkend, also für die Zeit vor dem 1. April 1988 ist eine Konvalidation demgegenüber nicht eingetreten; die Novelle hat nämlich eine Steuerschuld, die der in Prüfung gezogenen Verordnung entspricht, erst mit Inkrafttreten der Novelle, also mit 1. April 1988, begründet.

(Anlaßfälle: zu V104/89: B1119/88, Ev 15.03.90 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides;

zu V105/89 und zu V106/89: B826/89, B827/89, Ev 14.03.90 - Abweisung der Beschwerden; keine Normbedenken, keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte; Hinweis auf B173/89, Ev 14.03.90)

Entscheidungstexte

  • V 104-106/89
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 14.03.1990 V 104-106/89

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Getränkesteuer, Bemessungsgrundlage (Getränkesteuer), Abgabenerfindungsrecht der Gemeinden und Länder, Fälligkeit einer Abgabe, Sanierung, Rückwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:V104.1989

Dokumentnummer

JFR_10099686_89V00104_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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