RS Vfgh 1990/3/15 G243/88

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Veröffentlicht am 15.03.1990
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Index

22 Zivilprozeß, außerstreitiges Verfahren
22/02 Zivilprozeßordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz B-VG Art140 Abs3 erster Satz StGG Art5 ZPO §64 Abs1 Z3

Leitsatz

Keine Aufhebung des §64 Abs1 Z2 ZPO (Befreiung von der Sicherheitsleistung für Prozeßkosten); kein Eingriff in das Eigentumsrecht eines (inländischen) Beklagten; Verpflichtung zur Sicherheitsleistung trifft nur vermögende Ausländer; sachliche Rechtfertigung der Bestimmungen über die Sicherheitsleistung

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der von einem Gericht angegriffenen Gesetzesstelle nur mit den verfassungrechtlichen Bedenken zu befassen, die das antragstellende Gericht gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung ins Treffen führt (vgl. VfSlg. 8253/1978, 9185/1981, 9287/1981, 9911/1983).

Der Antrag, §64 Abs1 Z2 ZPO (Befreiung von der Sicherheitsleistung für Prozeßkosten) aufzuheben, wird abgewiesen.

Die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung trifft nur vermögende Ausländer, für die das durch eine Kostenersatzverpflichtung im Falle des Prozeßverlustes bestehende Prozeßrisiko geringer ist als das des von ihnen im Inland Beklagten, weil sich ein exekutiver Zugriff auf ausländische Kläger, deren Vermögen sich im Ausland befindet, ungleich schwieriger gestaltet als ein allfälliger Zugriff auf das Vermögen eines (inländischen) Beklagten. Die Regelung über die Prozeßkostensicherheit, die durch Ausländer zu leisten ist, dient also nur einer Prozeßriskengleichheit, oder anders ausgedrückt: Die Regelung zielt der Sache nach darauf ab, Vorteile, die vermögende ausländische Kläger gegen (inländische) Beklagte haben, auszugleichen. Ist der ausländische Kläger jedoch vermögenslos, dann wäre es sinnwidrig, von ihm die Ablegung eines Paupertätseides zu fordern.

Ausgehend von diesem offenkundigen Ziel der Bestimmungen über die Sicherheitsleistung für Prozeßkosten erweist sich die Annahme des antragstellenden Gerichtes, die angegriffene Gesetzesstelle greife in das Eigentumsrecht (inländischer) Beklagter ein, schon vom Ansatz her als verfehlt. Durch die Bestimmung wird nicht in private Vermögensrechte eines (inländischen) Beklagten eingegriffen; die Regelung über die gesetzliche Pflicht vermögender ausländischer Kläger, über Antrag eines (inländischen) Beklagten eine Sicherheitsleistung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen erbringen zu müssen, ist vielmehr eine Schutznorm zugunsten (inländischer) Beklagter.

Die bekämpfte Bestimmung ist deshalb auch am Gleichheitssatz zu messen, weil sie nicht nur ausländische Kläger, sondern auch inländische Beklagte als Prozeßparteien betrifft.

Der Verfassungsgerichtshof kann jedoch nicht finden, daß die Bestimmungen über die Sicherheitsleistung (§§57 ff ZPO) - und damit auch die angegriffene Bestimmung (§64 Abs1 Z2 ZPO) - einer sachlichen Rechtfertigung entbehren.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, Zivilprozeß, Sicherheitsleistung, Prozeßkosten, Eigentumseingriff, Gleichheitsrecht, Ausländer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:G243.1988

Dokumentnummer

JFR_10099685_88G00243_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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