RS Vfgh 1990/6/29 G325/89

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Veröffentlicht am 29.06.1990
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Index

21 Handels- und Wertpapierrecht
21/02 Aktienrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
AktienG §107 Abs2
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zulässigkeit des Antrags einer Genossenschaftsbank auf Aufhebung einer Wortfolge in §107 Abs2 AktienG; keine sachliche Rechtfertigung der Beschränkung der im zweiten Satz des §107 Abs2 AktienG normierten Wirkung der Hinterlegung von Aktien auf Banken in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft; Wettbewerbsvorteil für Banken in der Rechtsform von Aktiengesellschaften

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags einer Genossenschaftsbank auf Aufhebung einer Wortfolge in §107 Abs2 AktienG.

Die angegriffene Vorschrift legt fest, daß zur Ausübung des Stimmrechts im Falle eines Hinterlegungsgebotes in der Satzung die Hinterlegung bei einem Notar oder einer bestimmten Bank genügt.

Diese Vorschrift berührt daher die für die Hinterlegung in Betracht kommenden Rechtsträger nicht erst über ein tatsächliches Verhalten der zunächst angesprochenen Personen (Aktionäre und Aktiengesellschaften), sondern spricht sie von vornherein unmittelbar an, indem sie die Wirkung einer Hinterlegung bei ihnen festlegt. Daß eine solche Wirkung erst dann eintritt, wenn Aktionäre sich überhaupt zur Hinterlegung bei ihnen entschließen, unterscheidet ihre Betroffenheit nicht von jener anderer Adressaten von Normen über die Gestaltung von deren Rechtsbeziehungen zu möglichen Vertragspartnern.

Der Antrag wirft einleitend nur der Wortfolge "in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenen" vor, sie diskriminiere die antragstellende Genossenschaftsbank. Er enthält gegen das im förmlichen Antrag offenbar irrtümlich miterfaßte Wort "einer ..."

am Beginn der angegriffenen Wortfolge, dessen Entfernung aus §107 Abs2 den Rest sprachlich verstümmeln würde, keine Bedenken im Sinne des §62 Abs1 VfGG. Insoweit ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zuletzt VfGH v. 3. März 1990, G236/89).

Die Wortfolge "in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenen" im zweiten Satz des §107 Abs2 Aktiengesetz 1965, BGBl. Nr. 98, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Beschränkung der im zweiten Satz des §107 Abs2 AktienG normierten Wirkung der Hinterlegung von Aktien auf Banken in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft entbehrt der sachlichen Rechtfertigung und verstößt daher gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz.

Es ist nichts erkennbar, was es rechtfertigen könnte, die erforderliche Erfahrung und Vertrautheit mit den aktienrechtlichen Problemen nur bei Banken in der Rechtsform von Aktiengesellschaften zu vermuten (die ihrerseits einschlägige Satzungsbestimmungen gar nicht haben müssen). Es ist aber auch offenkundig, daß die angegriffene Bevorzugung von Banken in der Rechtsform von Aktiengesellschaften diesen einen nicht unbeträchtlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Gesellschaftsrecht, Aktiengesellschaft, Hinterlegung von Aktien

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:G325.1989

Dokumentnummer

JFR_10099371_89G00325_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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