RS Vfgh 1990/6/29 B1249/89

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Veröffentlicht am 29.06.1990
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Index

80 Land-und Forstwirtschaft
80/06 Bodenreform

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz B-VG Art10 Abs1 Z6 B-VG Art12 Abs1 Z3 B-VG Art15 Abs6 B-VG Art83 Abs2 StGG Art5 MRK Art6 Abs1 / Tribunal Sbg EinforstungsrechteG §6 Abs2 VfGG §88 WWSGG §6 WWSGG §8 Abs1

Leitsatz

Regelung der vom mit einem laufenden Holzbezug eingeforsteten Berechtigten für die Benutzung von Forststraßen zu erbringenden Gegenleistung; keine Enteignung und keine Eigentumsbeschränkung; Zuordnung von der Neuregulierung oder Änderung bestehender Regulierungen dienender Maßnahmen zum Kompetenztatbestand "Bodenreform"; Einrichtung der Landesagrarsenate als "Tribunal"; keine Unsachlichkeit der Verpflichtung zu einer Gegenleistung in Form eines Rücklasses für die Verwendung einer Forststraße für die Holzbringung; kein Widerspruch zu den im Wald- und Weidenutzungs-Grundsatzgesetz aufgestellten Grundsätzen

Rechtssatz

Die Regelung des §6 Abs2 Sbg. EinforstungsrechteG, mit der für die Leistung des Waldeigentümers die vom Nutzungsberechtigten zu erbringende Gegenleistung für die Benutzung von Forststraßen kraft Gesetzes festgelegt wird, stellt weder eine Enteignung noch eine einer solchen gleichkommende Eigentumsbeschränkung dar (vgl. VfGH 6.10.1988 B679/88, 13).

Regelung der Gegenleistung des Nutzungsberechtigten für die Benutzung von Forststraßen in §6 Abs2 Sbg. EinforstungsrechteG; kein Verstoß gegen die Kompetenzverteilung, keine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Zivilrechtliche Angelegenheiten sind, soweit sie mit der Bodenreform zusammenhängen, nicht dem Kompetenztatbestand "Zivilrechtswesen" (Art10 Abs1 Z6 B-VG), sondern dem Kompetenztatbestand "Bodenreform" zuzuordnen (vgl. zB VfSlg. 8151/1977). Für die Bodenreform geradezu typisch sind Maßnahmen, die der Neuregulierung oder der Änderung bestehender Regulierungen dienen (vgl. zB VfSlg. 1390/1931, 3649/1959; VfGH 6.10.1988 B679/88).

Zum Vorwurf, die organisationsrechtlichen Garantien des Art6 MRK seien nicht eingehalten worden, genügt es, darauf zu verweisen, daß der Landesagrarsenat ohnehin als "Tribunal" iS dieser Verfassungsbestimmung eingerichtet ist.

Die Erschließung von Wäldern durch Forststraßen ist bei einer - zulässigen - Durchschnittsbetrachtung (auch) für Holzbezugsberechtigte von Vorteil, die das von ihnen geschlägerte Holz (potentiell) über diese Straßen transportieren können. Es ist nicht unsachlich, an die Möglichkeit, eine Forststraße für die Holzbringung zu verwenden, die Pflicht zu knüpfen, eine Gegenleistung in Form eines Rücklasses zu erbringen. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß diese Gebühr unangemessen hoch wäre; auch der Beschwerdeführer behauptet solches nicht.

Sind vom Bundesgesetzgeber keine Grundsätze aufgestellt, so kann die Landesgesetzgebung eine solche Angelegenheit frei regeln (Satz 5). Die Länder bedürfen also zur Regelung solcher Angelegenheiten nicht einer Ermächtigung durch Aufstellen von Grundsätzen, sondern können sie bei Fehlen von Grundsätzen frei regeln; das bedeutet, daß die Grundsatzgesetzgebung nicht Voraussetzung, sondern nur inhaltliche Schranke für die Landesgesetzgebung ist (vgl. VfGH 6.10.1988 B679/88, 8 f., und die dort angeführte weitere Vorjudikatur und Literatur).

Das WWSGG 1951 stellt u.a. Grundsätze für die Änderung bestehender Einforstungsrechte auf. Es ermächtigt zur Änderung "auf der Grundlage" der danach eingeräumten Rechte (§6 iVm §8 Abs1 WWSGG 1951).

Die Änderung der beiderseitigen Rechte und Pflichten bei der Holzbringung befindet sich "auf der Grundlage" der seinerzeitigen Regulierungsurkunden und daher inhaltlich im Rahmen des Grundsatzgesetzes.

Der Bundes-Grundsatzgesetzgeber hat den Landes-Ausführungsgesetzgeber nicht verpflichtet, Holzbezugsrechte (dazu gehören auch die Bringungsrechte) ausschließlich in Einzelverfahren zu ändern; er hat ihm also nicht verboten, solche Änderungen (auch) generell (unmittelbar durch das Gesetz selbst) anzuordnen. Der Verfassungsgerichtshof hat also nicht das Bedenken, daß §6 Abs2 Sbg. EinforstungsrechteG zu den im WWSGG 1951 aufgestellten Grundsätzen im Widerspruch steht.

Dem Beteiligten (Bund-Österreichische Bundesforste) waren die begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil ihm keine nach §88 VerfGG ersatzfähigen Kosten (etwa solche eines Rechtsanwaltes) erwachsen sind.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Bodenreform, Servitutenregulierung, Enteignungsbegriff, Eigentumsbeschränkung, Kompetenz Bund - Länder Bodenreform, Kompetenz Bund - Länder Zivilrechtswesen, Forststraßen, Holzbezugsrechte, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Wald- und Weideservituten, VfGH / Kosten, Eigentumsrecht siehe StGG Art 5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1249.1989

Dokumentnummer

JFR_10099371_89B01249_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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