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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines Bebauungsplanes als unzulässig in Folge zumutbaren Umwegs; Präjudizialität der im Bebauungsplan festgelegten Baugrenzlinien im Bauplatzerklärungsverfahren; Ablehnung der Behandlung der BeschwerdeSpruch
I. Der Antrag gemäß Art139 B-VG wird zurückgewiesen.
II. Die Behandlung der Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird
abgelehnt.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Einschreiter stellten mit einem beim Magistrat der Stadt Salzburg am 26. September 2000 eingelangten Schriftsatz bei der Baubehörde erster Instanz den Antrag auf "Bauplatzerklärung für eine Teilfläche des Grundstückes 1397, mit einer koordinativ errechneten Fläche von 621 m²". Infolge Säumigkeit der Baubehörde erster Instanz stellten die Einschreiter mit Schreiben vom 29. März 2001 bei der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde einen Devolutionsantrag gemäß §73 AVG. Mit Eventualantrag vom 22. Mai 2001 beantragten sie bei dieser "auszusprechen, dass der das Gst. 1397 umfassende bebaute Bauplatz entsprechend ihren vorgelegten Planunterlagen unterteilt und der grün angelegte Teil des Gst. 1397, Grundbuch Froschheim, KG Salzburg, zu einem selbständigen Bauplatz unter Festlegung erforderlicher ergänzender Bebauungsbedingungen erklärt werden möge". Die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg wies den Antrag der Einschreiter mit dem bekämpften Bescheid vom 17. Dezember 2001 unter Hinweis auf die im Bebauungsplan der Grundstufe Schallmoos/Neustadt 4/G1 für das Grundstück Nr. 1397 festgelegten Baugrenzlinien im Devolutionsweg ab und versagte die beantragte Bauplatzerklärung. Die Liegenschaft Grst. Nr. 1397 sei mit einem straßenseitig plazierten Wohn- bzw. Bürohaus verbaut. Nach der beantragten Bauplatzerklärung solle fast der gesamte unverbaute Teil des einheitlichen Grst. Nr. 1397 einer neuen, selbständigen Bauplatzerklärung zugeführt werden. Im Ergebnis sei davon auszugehen, dass die Antragsteller beabsichtigten, zwei getrennte verbaubare Flächen bzw. eine Teilung in zwei selbständige Bauplätze zu erzielen. Durch die antragsgemäße Bewilligung einer neuen Bauplatzgrenze würden hinsichtlich des Bestandsbaues mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht im Einklang stehende Abstandsverhältnisse bewirkt; die im Bebauungsplan der Grundstufe Schallmoos/Neustadt 4/G1 enthaltenen beiden Baugrenzlinien führten dazu, dass die in Rede stehende Teilfläche des Grst. Nr. 1397 nicht zur Verbauung kommen könne; durch den Antrag auf eine (neue) Bauplatzerklärung für die unverbaute Fläche aus dem Grst. Nr. 1397 versuchten die Antragsteller, die aus den beiden Baugrenzlinien resultierende Unverbaubarkeit des Grundstückes zu unterlaufen.
2. Die Einschreiter richten gegen diesen Bescheid einerseits eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde (vgl. dazu unten unter III.), andererseits stellen sie auch einen auf Art139 B-VG gestützten Individualantrag, "den Bebauungsplan der Grundstufe Schallmoos/Neustadt 4/G1 im Umfang der Festlegung der Baugrenzlinien auf Gst. 1397, KG Salzburg, Grundbuch Schallmoos, wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben".
Zur Frage ihrer Antragslegitimation führen die Antragsteller in diesem Antrag ua. aus, mit dem genannten Bebauungsplan würden entlang der nordwestlichen Gebäudefront und entlang der nordöstlichen Gebäudefront des auf dem Grundstück vorhandenen Bestandsbaues Baugrenzlinien festgelegt. Dieser Festlegung liege die normative Absicht zugrunde, eine Bebauung der - aus Sicht der Verkehrsfläche - jenseits der Baugrenzlinien gelegenen Flächen zu verhindern, dh. ein Bauverbot auszusprechen. Die Festlegungen des Bebauungsplanes, dabei insbesondere jene über die Baugrenzlinien beschränkten die Baufreiheit der Antragsteller. Die Festlegungen seien bestimmt und aktuell wirksam; im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach der für die zum Bauplatz zu erklärende Fläche maßgebliche Bebauungsplan im Zuge der Bauplatzerklärung "nicht in einer Weise angewendet werde, die seine Präjudizialität nach sich ziehe", erscheine die Erwirkung einer Bauplatzerklärung nicht als geeigneter Rechtsweg, um eine Überprüfung der als gesetzwidrig erachteten Festlegungen eines Bebauungsplanes zu erwirken. Es sei jedoch auch unzumutbar, eine solche Überprüfung des Bebauungsplanes im Wege eines Baubewilligungsverfahrens herbeizuführen.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, den auf Art139 B-VG gestützten Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu die bekämpften Festlegungen im Bebauungsplan Schallmoos/Neustadt 4/G1 nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
5. Die Salzburger Landesregierung erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie den Antrag stellt, den auf Art139 B-VG gestützten Antrag zurück- in eventu abzuweisen.
6. Die Einschreiter erstatteten eine Replik.
II. Zur Zulässigkeit des Individualantrages:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG und Art140 Abs1 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 B-VG und Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 11.684/1988, 13.870/1994, VfGH vom 5. März 2003, V7/02 ua.).
Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das den von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offen stehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normprüfungsantrages einzuräumen (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10.251/1984, 11.684/1988). Mit einem (Individual-) Antrag nach Art139 (und Art140) B-VG soll daher keinesfalls eine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes eröffnet werden, die mit dem Charakter des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (etwa VfSlg. 8652/1979, 10.356/1985, 11.114/1986, 12.395/1990).
2. Im vorliegenden Fall besteht ein zumutbarer Weg für die Antragsteller, ihre hier gegen den Bebauungsplan der Grundstufe Schallmoos/Neustadt 4/G1 vorgebrachten Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen:
Die belangte Behörde hat, wie oben unter I. dargestellt, den Antrag der Einschreiter auf Erklärung einer Teilfläche des in ihrem Eigentum stehenden Grundstückes Nr. 1397, KG Salzburg, zum Bauplatz ua. unter Verweis auf die von den Einschreitern bekämpften Baugrenzlinien abgewiesen. Baugrenzlinien sind gemäß §31 Abs3 Salzburger Raumordnungsgesetz 1998 "Linien gegenüber anderen Flächen als Verkehrsflächen, die durch oberirdische Bauten nicht überschritten werden dürfen". Anders als in den Erkenntnissen VfSlg. 12.391/1990 und 13.644/1993, in denen es mit der Festlegung einer Baufluchtlinie, der Höchsthöhe von hinter der Baufluchtlinie gelegenen Bauten bzw. der Festlegung einer Baumassenzahl in den dort bekämpften Bebauungsplänen um Determinanten zur Beurteilung der Zulässigkeit einer bestimmten Bauführung auf den betreffenden Grundstücken ging, und die genannten Festlegungen daher noch nicht im Bauplatzerklärungsverfahren anzuwenden waren, sind die im vorliegenden Fall bekämpften Baugrenzlinien bereits ausschlaggebend für die Frage der Zulässigkeit der weiteren Verbauung des Grundstückes Nr. 1397 schlechthin; die belangte Behörde hat die angefochtenen Verordnungsbestimmungen daher denkmöglicherweise zur Beurteilung des vorliegenden Bauplatzerklärungsantrages herangezogen, womit den Antragstellern die Möglichkeit geboten ist, im Wege der Bescheidbeschwerde gemäß Art144 B-VG sämtliche gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsstellen sprechenden Bedenken darzulegen und die Einleitung eines amtswegigen Verordnungsprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof anzuregen. Die Antragsteller haben von dieser Möglichkeit im Übrigen auch Gebrauch gemacht (siehe oben I.2. bzw. unten III.).
Der Verordnungsprüfungsantrag ist daher zurückzuweisen.
3. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
III. Zur Beschwerde gemäß Art144 B-VG:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung.
Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber zum Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
Soweit in der Beschwerde die Rechtswidrigkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen, das nicht ausreichend bedenkt, dass es sich bei der bekämpften Festlegung im Bebauungsplan der Grundstufe Schallmoos/Neustadt 4/G1 nicht um eine Einzelfestlegung handelt, sondern dass der Verordnungsgeber im Baublock zwischen Auerspergstraße, Paracelsusstraße, Lasserstraße und Haydnstraße sämtliche hinteren Grundstücksbereiche - abgesehen von einer begründeten Ausnahme - durch die Festlegung von Baugrenzlinien von einer Bebauung freihalten wollte, vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zum Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers vgl. z.B. VfSlg. 11.850/1988 und 12.392/1990, zur fehlenden Befugnis des Verfassungsgerichtshofs, die Zweckmäßigkeit mehrerer an sich zulässiger Planungsvarianten zu beurteilen vgl. z.B. VfSlg. 16.472/2002, 16.732/2001 und 10.560/1985) die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs3 Z1 VfGG).
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B149.2002Dokumentnummer
JFT_09959073_02B00149_00