RS Vfgh 1990/9/28 B699/89

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Veröffentlicht am 28.09.1990
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt EStG §18 Abs1 Z3 lita EStG §18 Abs1 Z3 litb

Leitsatz

Gleichheitswidrige Auslegung des §18 Abs1 Z3 litb EStG durch die Nichtberücksichtigung von Sonderausgaben für die Errichtung eines Eigenheims vor Erwerb des Eigentums an dem zu errichtenden Objekt; verfassungskonforme Interpretation möglich; Aufwand muß - ohne Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Ausgaben herrschenden Eigentumsverhältnisse - lediglich dem Zweck der Errichtung einer Eigentumswohnung bzw eines Eigenheims dienen

Rechtssatz

Lit a und litb des §18 Abs1 Z3 EStG enthalten einander ergänzende Begünstigungen, die systematisch als Einheit angesehen werden müssen: Wer Wohnraum über einen qualifizierten Bauträger erwirbt, erhält die Begünstigung nach lita, wer selbst errichtet, wird nach litb begünstigt.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes versteht litb dabei so, daß der Steuerpflichtige selbst die Errichtereigenschaft besitzen, d.h. im Zeitpunkt der Verausgabung zumindest außerbücherlicher Eigentümer sein muß (VwGH 20.11.1968, 1070/67; 22.12.1980, 2487/79) und daß für denselben Sachverhalt nicht gleichzeitig die Begünstigung nach lita und litb in Betracht kommen (etwa VwGH 10.12.1969, 1007/68; 2.6.1982, 81/13/0082). Bei diesem Rechtsverständnis, das auch dem Bescheid der belangten Behörde zugrunde liegt, wird jener Aufwand nicht begünstigt, den ein Steuerpflichtiger, der Wohnraum von einem qualifizierten Bauträger erwirbt, direkt an Unternehmen zur Errichtung des Wohnraumes leistet, bevor der Kaufvertrag abgeschlossen ist, und zwar selbst dann nicht, wenn - wie im Beschwerdefall - Gegenstand des Kaufanwartschaftsvertrages ein gar nicht fertiggestelltes Objekt ist.

Diese Auslegung führt dazu, daß Aufwendungen, die der Steuerpflichtige letztlich zur Schaffung von Wohnraum für sich selbst tätigt, je nach dem zufälligen, vom Steuerpflichtigen oft nicht beeinflußbaren Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages unterschiedlich behandelt werden. Sie führt ferner dazu, daß Fälle, in denen Errichtungskosten ausschließlich über den Bauträger geleistet werden, anders behandelt werden als solche, bei denen der Wohnungswerber auch direkt mit Bauhandwerkern etc. in Rechtsbeziehungen tritt.

Die Vorschrift des §18 Abs1 Z3 litb kann auch so verstanden werden, daß im Zeitpunkt der Verausgabung (lediglich) feststehen muß, daß der Aufwand dem Zweck der Errichtung einer Eigentumswohnung (eines Eigenheimes) für den Steuerpflichtigen dient.

Nur eine solche Interpretation vermeidet aber die gleichheitswidrige Konsequenz, daß Aufwendungen zur Errichtung von begünstigtem Wohnraum je nach der oft nicht beeinflußbaren tatsächlichen Abwicklung des Einzelfalles unterschiedlich behandelt werden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Einkommensteuer, Sonderausgaben Wohnraumschaffung, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B699.1989

Dokumentnummer

JFR_10099072_89B00699_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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