TE Vfgh Erkenntnis 2004/9/27 B28/01

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Veröffentlicht am 27.09.2004
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Tir GVG 1996 §4, §6 Abs1 lita

Leitsatz

Keine willkürliche oder denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs; gerechtfertigte Annahme eines Widerspruchs zum öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden landwirtschaftlichen Grundbesitzes aufgrund der großen Entfernung des betreffenden landwirtschaftlichen Grundstücks vom Besitz des Beschwerdeführers

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 17. März und 11. April 1994/ 15. Februar 2000 erwarb der Beschwerdeführer ein den beiden Verkäuferinnen je zur Hälfte gehörendes Grundstück im Ausmaß von

1.478 m2. Die Bezirks-Grundverkehrskommission der Stadtgemeinde I hat diesem Erwerb mit Bescheid vom 6. Juni 2000 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt.

2. Gegen diese Entscheidung erhob der Landesgrundverkehrsreferent Berufung und führte aus, der Käufer sei Eigentümer einer landwirtschaftlichen Liegenschaft im Ausmaß von 5,4 ha in einer Entfernung von ca 30 km vom Kaufgrundstück; die Bewirtschaftung über eine derart große Entfernung müsse als völlig unwirtschaftlich und unvorteilhaft angesehen werden, zumal es sich beim Kaufgrundstück um eine relativ kleine Fläche handle. In einer Gegenäußerung zur Berufung brachte der Käufer ua vor, dass durch den Rechtserwerb eine ungünstige Eigentümerstruktur bereinigt werde, da die beiden Verkäuferinnen nicht mehr in der Lage wären, das Grundstück selbst einer geregelten landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen; durch die Erteilung der Bewilligung werde demzufolge keine agrarpolitisch unerwünschte Sachlage geschaffen.

3. Mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 27. November 2000 wurde der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten Folge gegeben und die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt.

Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung:

Außer Streit stehe, dass es sich um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl für Tirol 1996/61 idF der LG LGBl für Tirol 1997/59 und 1999/75 (im Folgenden TGVG 1996) handle und dass der vorgelegte Kaufvertrag nach §4 Abs1 lita leg cit der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfe. Unter Bedachtnahme auf §6 Abs1 lita TGVG 1996 müsse dem Kaufvertrag ganz allgemein schon im Hinblick auf die Entfernung des Kaufgrundstückes zu den land- bzw forstwirtschaftlichen Grundstücken des Käufers in L ein Widerspruch zu den land- und forstwirtschaftlichen Schutzinteressen - insbesondere zum öffentlichen Interesse an der Schaffung und Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes - angelastet werden. Dass durch den Erwerb eines rund 30 km entfernten landwirtschaftlichen Grundstücks die gegenwärtigen Besitzverhältnisse in eine agrar-politisch unerwünschte Richtung verändert würden, bedürfe in Ansehung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 12.699/1991) und des Umstandes, dass landwirtschaftliche Grundflächen in der Regel eine intensive Bewirtschaftung benötigen, keiner weiteren Ausführung. Dazu komme noch, dass es Ziel vieler Zusammenlegungsverfahren nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (kurz TFLG) ua gerade auch sei, so genannte Überlandparzellen zu beseitigen (vgl §1 TFLG). Wenn darüber hinaus für die Erreichung derartiger Ziele erhebliche öffentliche Mittel aufgewendet werden, scheine klargestellt, dass das Rechtsgeschäft mit den landwirtschaftlichen Schutzinteressen iSd §6 Abs1 lita TGVG 1996 nicht vereinbar sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TGVG 1996 lauten:

"Begriffsbestimmungen

§2. (1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten weiters Grundstücke, die zwar nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, aber doch in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Weise genutzt werden.

.....

Genehmigungspflicht

§4. (1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

.....

Genehmigungsvoraussetzungen

§6. (1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlichen gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

....."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zunächst die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vor. Die Behörde habe sich nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt, dass im Falle des Erwerbes der Liegenschaft durch ihn keine agrarpolitisch unerwünschte Besitzstruktur geschaffen werde, sondern in Ansehung der gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse (ideelles Hälfteeigentum von zwei in Deutschland lebenden älteren Damen) eine solche gerade bereinigt würde. Er habe mehrmals betont, dass es für das Kaufgrundstück keine anderen Interessenten gebe und er das betreffende Grundstück einer sinnvollen agrarischen Nutzung (Anbau von Vogelbeeren oder Kornellkirschen) zuführen werde. Dieses entscheidungswesentliche Vorbringen habe die belangte Behörde ignoriert und festgestellt, dass schon allein die Entfernung zwischen dem Kaufgrundstück und dem land- und forstwirtschaftlichen Stammbesitz des Käufers ein genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft in Widerspruch zu den Schutzinteressen des §6 Abs1 lita TGVG 1996 bringen soll. Außerdem hätte die belangte Behörde im Zuge eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens den landwirtschaftlichen Betrieb des Käufers und die tatsächlichen Verhältnisse am Kaufgrundstück durch ein beauftragtes Amtsorgan in Augenschein nehmen lassen müssen; dies zu unterlassen sei nach Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als besonders schwerwiegender Verfahrensverstoß anzusehen (VfSlg 10.815/1986). Zusammenfassend hält der Beschwerdeführer fest, dass die Entscheidung der belangten Behörde sowohl in ihrer Begründung als auch hinsichtlich der ihr zugrunde liegenden Ermittlungen mit qualifizierten Rechtswidrigkeiten behaftet sei, die sie - gemäß der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - in Summe mit Willkür belaste.

1.2. Darüber hinaus sei der belangten Behörde in Anwendung des §6 Abs1 lita TGVG 1996 Denkunmöglichkeit vorzuwerfen, da sie davon ausgehe, dass mit dem Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks in einer gewissen Entfernung vom land- und forstwirtschaftlichen Stammbesitz des Käufers immer ein Widerspruch zu den durch §6 Abs1 lita TGVG 1996 geschützten öffentlichen Interessen verbunden sei.

Durch diese denkunmögliche Anwendung des §6 Abs1 lita TGVG 1996 habe die belangte Behörde auch das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

2.1. Diese Beschwerdevorwürfe treffen nicht zu. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentum ein. Er stützt sich auf §6 Abs1 lita TGVG 1996, wonach die nach §4 Abs1 leg cit erforderliche Zustimmung bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken nur erteilt werden darf, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht.

Bei der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlage (s zB VfSlg 12.699/1991 zum vergleichbaren §4 Abs1 Tir GVG 1983) käme eine Gleichheitsverletzung nur in Frage, wenn die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte; eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums läge nur dann vor, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewandt hätte.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maß mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht.

Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung läge nur dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2.2. Es ist weder denkunmöglich noch willkürlich, wenn die belangte Behörde die Ansicht vertritt, dass der Rechtserwerb von sogenannten Überlandparzellen der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht (vgl VfSlg 12.699/1991). Es ist unbestritten, dass der Rechtserwerb ein landwirtschaftliches Grundstück betrifft, welches rund 30 km vom landwirtschaftlichen Besitz des Beschwerdeführers entfernt ist. Wenn auch das Grundstück für den vom Beschwerdeführer angestrebten Anbau von Vogelbeeren oder Kornellkirschen geeignet ist, liegt unter den genannten Voraussetzungen in der Annahme agrarstruktureller Nachteile keine Verfassungswidrigkeit. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Rechtserwerb im Vergleich zu den gegenwärtigen Besitzverhältnissen eine Verbesserung bewirken würde. Damit kann aber der belangten Behörde nicht angelastet werden, in Anwendung des Gesetzes denkunmöglich vorgegangen zu sein, wenn sie zum Ergebnis kommt, dass der Rechtserwerb den durch §6 Abs1 lita TGVG 1996 geschützten öffentlichen Interessen widerspricht.

Es kann der Behörde aber auch nicht der Vorwurf des - Willkür indizierenden - Unterlassens jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt gemacht werden. Aus dem auf Berufungsebene eingeholten Erhebungsbericht geht hervor, dass der landwirtschaftliche Besitz des Beschwerdeführers rund 30 km von der Kaufliegenschaft entfernt liegt. Weiters wurde von einem Amtsorgan ein Ortsaugenschein durchgeführt; es wurden Lichtbilder und Auszüge aus dem Grundbuch sowie der digitalen Katastralmappe eingeholt und schließlich eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Dass die rechtliche Würdigung des gesamten Sachverhaltes durch die Behörde aus der Sicht des Beschwerdeführers unbefriedigend sein mag, indiziert nicht willkürliches Verhalten der Behörde (VfSlg 13.165/1992, 13.385/1993).

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

4. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl zB VfSlg 15.278/1998, 16.358/2001).

IV. 1. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B28.2001

Dokumentnummer

JFT_09959073_01B00028_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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