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95 TechnikNorm
B-VG Art18 Abs2 B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand Beschluß des Kammervorstandes der Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg vom 29.06.73 idF des Zusatzbeschlusses vom 09.10.81, kundgemacht in den Kammernachrichten Nr 4/81 der Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg vom 09.11.81 Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 27.06.72, Z1130/72, bzw vom 30.10.73, Z2090/73, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern am 19.03.74 - Standesregeln für Ziviltechniker Pkt 5.1. IngenieurkammerG §2 IngenieurkammerG §19 Abs1 IngenieurkammerG §30 Abs1 IngenieurkammerG §48 Abs1 Z2Leitsatz
Verfassungs- und gesetzwidrige Verpflichtung zur Befolgung der gesetzmäßigen Beschlüsse aller Kammerorgane in den Standesregeln für Ziviltechniker; unzulässige Subdelegation des Verordnungsrechtes; Gesetzwidrigkeit zweier Beschlüsse einer Länderkammer der Ingenieurkammer; Verbindlichkeit der Meldepflicht hinsichtlich der Anbotslegung auch für die Mitglieder anderer Länderkammern; Zuständigkeit der Bundeskammer für eine solche Regelung aufgrund der Überschreitung des Wirkungsbereiches einer LänderkammerRechtssatz
Verordnungscharakter der Standesregeln für Ziviltechniker und eines Beschlusses des Kammervorstandes einer Ingenieurkammer.
Für die in Prüfung gezogene Wortfolge der Standesregel 5.1. ergibt sich dies nicht nur aus der Selbstbezeichnung der Standesregeln in ihrer amtlichen Kundmachung, sondern auch aus §30 Abs1 IngenieurkammerG. Beim Beschluß des Kammervorstandes der Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg vom 29.06.73 in der Fassung des Beschlusses vom 09.10.81 werden Pflichten für "alle Ziviltechniker" (so die Z1. des Beschlusses), sohin für einen allgemein umschriebenen Personenkreis, vom Kammervorstand der Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg, sohin von einer Verwaltungsbehörde, festgelegt. Der verbindliche Charakter des Beschlusses geht aus dessen Z2. eindeutig hervor.
Mit Rücksicht auf §48 Abs1 Z2 IngenieurkammerG, demzufolge Ziviltechniker für die Einhaltung ihrer Berufs- oder Standespflichten disziplinär verantwortlich sind, muß eine, die Berufs- und Standespflichten festlegende Verordnung über die Standesregeln gemäß §30 Abs1 IngenieurkammerG einen von vornherein verhaltensbestimmenden, durch die Standesauffassungen geprägten Inhalt besitzen, der es ausschließt, die Befolgung jedes gesetzmäßigen Beschlusses eines Kammerorganes als Standespflicht zu verstehen. Eine andere Auslegung des Gesetzes ist auch deshalb unzulässig, weil dann die kraft §30 Abs1 IngenieurkammerG ausschließlich der Bundeskammer (und zwar gem. §24 IngenieurkammerG deren Kammertag) eingeräumte Befugnis, die Standespflichten in Gestalt der Standesregeln im einzelnen festzulegen, an beliebige andere Kammerorgane delegiert würde, sohin eine unzulässige Subdelegation des Verordnungsrechtes vorgenommen würde, die - wie der Verfassungsgerichtshof seit VfSlg. 2523/1953 in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (vgl. VfSlg. 5695/1968 sowie VfGH vom 1.3.1989, V174, 176/88) - "nach Art18 Abs2 B-VG einer gesetzlichen Grundlage bedürfte, niemals aber durch einfache Verordnung erteilt werden kann".
Die Wortfolge "und die gesetzmäßigen Beschlüsse der Kammerorgane zu befolgen" in Punkt 5.1. der Standesregeln der Ziviltechniker ist sohin wegen Widerspruchs zu §30 Abs1 IngenieurkammerG sowie wegen einer nach Art18 Abs2 B-VG unzulässigen Subdelegation des Verordnungsrechtes als gesetzwidrig aufzuheben.
Eine gleichheitskonforme, weil auch jene Ziviltechniker, die Mitglieder anderer Kammern sind und ebenfalls zur Anbotslegung eingeladen wurden, verpflichtende Regelung ist nur unter Überschreitung des Wirkungsbereiches einer Länderkammer gemäß §2 Abs1 IngenieurkammerG rechtlich möglich. Zuständig zur Fassung eines derartigen Beschlusses ist sohin ausschließlich die Bundeskammer gem. §19 Abs1 IngenieurkammerG.
Für die Beschlüsse des Kammervorstandes der Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg vom 29.06.73 und vom 09.10.81, kundgemacht in den Kammernachrichten Nr. 4/81 der Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg vom 09.11.81, fehlte es sohin dem Kammervorstand der Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg an der Zuständigkeit. Diese Beschlüsse waren somit gesetzwidrig (außer Kraft getreten durch die Verordnung vom 24. 10.86, kundgemacht in den Kammernachrichten vom 17.11.86, mit der der Kammervorstand der Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg u.a. eine Neuregelung der Meldepflicht für "jede Einladung zur Leistungserbringung im Wettbewerb" getroffen hat. In der Verordnung vom 24.10.86 ist eine Neuregelung im Gegenstand zu erblicken.).
(Anlaßfall: E v 03.10.90, B773/88 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides)
Entscheidungstexte
Schlagworte
Verordnungsbegriff, Ziviltechniker, Disziplinarrecht Ziviltechniker, Verordnungserlassung, Delegierung, Ingenieurkammer, Behördenzuständigkeit, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:V107.1989Dokumentnummer
JFR_10098997_89V00107_01