TE Vfgh Beschluss 2004/9/28 B406/04

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Veröffentlicht am 28.09.2004
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Verfahrensanordnung
B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
AVG §38, §39 Abs2, §63 Abs2
VfGG §88
VfGG §86

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde gegen die als Verfahrensanordnung zu wertende Verfügung über eine Verbindung zweier Verfahren zur gemeinsamen Durchführung mangels Bescheidcharakters; Gegenstandslosigkeit der Beschwerde hinsichtlich der Aufhebung eines Aussetzungsbescheides infolge rechtskräftiger Beendigung beider Verfahren; kein Kostenzuspruch

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen Pkt. 2 der angefochtenen Erledigung richtet.

Im Übrigen wird die Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Beschwerdeführer, Arzt für Allgemeinmedizin mit Sitz in Niederösterreich, hat mit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (im Folgenden: SVA) sowie der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (im Folgenden: BVA) jeweils einen Einzelvertrag geschlossen.

2.1. Mit Schreiben vom 20. Februar 1998 erklärte die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, das mit dem Beschwerdeführer eingegangene Vertragsverhältnis zum 31. März 1998 zu kündigen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Kündigung seines Einzelvertrages Einspruch an die Landesschiedskommission für Niederösterreich (eingelangt am 2. März 1998); mit Schriftsätzen vom 21. Februar bzw. 7. November 2002 beantragten sowohl der Beschwerdeführer als auch die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse den Übergang der Entscheidungszuständigkeit an die Bundesschiedskommission, wo das Verfahren zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung des Einzelvertrages zu R 1-BSK/02 protokolliert wurde.

2.2. Mit Schreiben vom 26. Mai 1998 bzw. vom 13. November 1998 erklärten weiters die SVA und die BVA, den mit dem Beschwerdeführer jeweils geschlossenen Einzelvertrag zum 30. Juni bzw. 31. Dezember 1998 zu kündigen.

Der Beschwerdeführer erhob auch dagegen jeweils Einspruch (bei der zuständigen Landesschiedskommission eingelangt am 5. Juni 1998 bzw. am 26. November 1998). Mit dem - unbekämpft gebliebenen - Bescheid der Landesschiedskommission für Niederösterreich vom 4. November 2003, dem Beschwerdeführer zugestellt am 6. November 2003, wurden beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und "bis zur rechtskräftigen Entscheidung des derzeit beim Landesgericht für Strafsachen in St. Pölten anhängigen Strafverfahrens (20 Hv 122/02 h-1) und der rechtskräftigen Entscheidung der Bundesschiedskommission (R 1-BSK/02) wegen Kündigung des Einzelvertragsverhältnisses zur Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse" gemäß §38 AVG ausgesetzt.

Mit Schriftsätzen vom 2. Dezember 2003 bzw. 23. März 2004 beantragten die SVA und die BVA den Übergang der Entscheidungszuständigkeit an die Bundesschiedskommission.

3. Am 24. März 2004 fand eine mündliche Verhandlung der Bundesschiedskommission über die vom Beschwerdeführer bestrittene Wirksamkeit der Kündigung seiner Einzelverträge statt. In dieser Verhandlung verkündete der Vorsitzende der Bundesschiedskommission den folgenden - im Verhandlungsprotokoll wiedergegebenen - Bescheid:

"1. Die Aussetzung der Verfahren betreffend die SVA/Gewerbe und BVA wird aufgehoben.

2. Die Verfahren NÖ-GKK, SVA/Gewerbe und BVA werden zur gemeinsamen Durchführung verbunden."

4. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (§346 Abs7 ASVG) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, worin die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, ohne eine Gegenschrift zu erstatten. Die SVA hat eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand erstattet, worin sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen (zB VfSlg. 15.209/1998), dass ein Beschwerdeverfahren dann als gegenstandslos einzustellen ist, wenn selbst eine den angefochtenen Bescheid aufhebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes keine Änderung der Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei (mehr) zu bewirken vermag, sodass durch den angefochtenen Bescheid auch keine fortwirkende Verletzung der geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte oder sonstiger Rechte wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm gegeben sein kann.

Ein Aussetzungsbescheid nach §38 AVG verliert seine Rechtswirksamkeit jedenfalls mit dem Eintritt des Zeitpunktes, bis zu welchem die Aussetzung verfügt worden ist, also bei einer Aussetzung bis zur rechtskräftigen Beendigung eines bestimmten Verwaltungsverfahrens mit dessen rechtskräftiger Beendigung (vgl. VwGH 18. Dezember 1990, 90/11/0193; 24. Februar 1992, 90/15/0090).

Da nach Erhebung der vorliegenden Beschwerde beide im Aussetzungsbescheid der Landesschiedskommission für Niederösterreich vom 3. November 2003 bezeichneten - von dieser Behörde als präjudiziell betrachteten - Verfahren rechtskräftig beendet sind, wäre dieser Aussetzungsbescheid - hätte ihn die belangte Behörde nicht schon davor aus dem Rechtsbestand beseitigt - nunmehr ohnedies weggefallen. Ein den angefochtenen Bescheid aufhebendes Erkenntnis hätte bei dieser Sach- und Rechtslage nur mehr theoretische Bedeutung.

Der Beschwerdeführer ist somit - wie sich auch aus seiner (ihm gemäß §86 VfGG aufgetragenen) Stellungnahme vom 20. August 2004 ergibt - durch Pkt. 1 des angefochtenen Bescheides nicht mehr beschwert, weshalb die Beschwerde insoweit als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren hierüber in sinngemäßer Anwendung des §86 VfGG einzustellen war.

Kosten waren nicht zuzusprechen, weil eine Klaglosstellung iS des §88 VfGG nicht vorliegt (zB VfSlg. 16.181/2001, 16.326/2001, 16.487/2002).

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.968/1994 mwN) liegt ein Bescheid iS des Art144 Abs1 B-VG dann vor, wenn die Erledigung eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber individuell bestimmten Personen normativ regelt, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat, ob sie nun in Form eines Bescheides nach den §§56 ff AVG ergeht oder nicht.

Die - wenn auch als "Bescheid" bezeichnete - Verfügung einer Behörde, zwei oder mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden (§39 Abs2 AVG), ist als Verfahrensanordnung iS des §63 Abs2 AVG zu werten (so ausdrücklich §39 Abs2 letzter Satz AVG; vgl. auch Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8 [2003] Rz 395), die lediglich den Gang des Verfahrens regelt, nicht aber ein Rechtsverhältnis erledigt. Eine derartige verwaltungsbehördliche Anordnung kann daher nicht unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden (vgl. VfSlg. 9984/1984, 10.421/1985, 14.507/1996; siehe auch VfGH 11.6.1982, B509/81 mwN).

Da dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 Abs1 B-VG nur die Entscheidung über Beschwerden gegen (letztinstanzliche) Bescheide von Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate zusteht, es sich aber bei Pkt. 2 der angefochtenen Erledigung um keinen Bescheid handelt, war die Beschwerde insoweit wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

3. Dies konnte in sinngemäßer Handhabung des §19 Abs3 Z3 VfGG bzw. gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Verfahrensanordnung, Verwaltungsverfahren, Sozialversicherung, Ärzte, VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B406.2004

Dokumentnummer

JFT_09959072_04B00406_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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