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16 MedienrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt RundfunkG §2 BVG-Rundfunk ArtI Abs2Leitsatz
Verletzung des Gleichheitsrechtes durch einen Bescheid der Rundfunkkommission infolge objektiver Willkür; Verletzung des Objektivitätsgebotes in einem Fernsehmagazin durch einseitige Darstellung der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe; keine Gewährung der Möglichkeit zur Erwiderung der medialen Angriffe und einer GegendarstellungRechtssatz
Es gibt keine zulässige Darbietung (ArtI Abs1 BVG-Rundfunk), die dem grundlegenden und besonders bedeutsamen Gebot der Objektivität, Unparteilichkeit, Pluralität und Ausgewogenheit nicht (mit-)unterworfen wäre. Verschieden ist nur das Gewicht, das diesen Grundsätzen in bezug auf die einzelnen Darbietungen zukommt, und die Art und Weise, wie ihnen im Einzelfall Rechnung getragen werden muß (VfGH 21.6.1989 B1701/88 und B1847/88).
Es ist zunächst schon eklatant und grob fehlerhaft, wenn die Rundfunkkommission ersichtlich der Rechtsauffassung anhing, der gesetzlichen Verpflichtung zur Objektivität sei dadurch Genüge getan, daß die damaligen Angriffe (auf Dr. H) "weder vom ORF noch von seinen Mitarbeitern" stammten: Kraft des Objektivitätsgebotes muß vielmehr grundsätzlich die Möglichkeit geschaffen werden, Pro- und Contra-Standpunkte voll zur Geltung gelangen zu lassen (vgl. VfGH 21.6.1989 B1701/88 und B1847/88, S 21), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob medial vorgetragene Angriffe von ORF-Angehörigen selbst herrühren oder von ihnen nur aufgegriffen oder verbreitet werden; so in einem Fernseh-Beitrag (Magazinsendung), in dem bloß Interviewte zu Wort kommen sollen und tatsächlich zu Wort kommen, die einen Abwesenden auf verschiedene Weise beschuldigen.
Ebenso unhaltbar ist die weitere Rechtsmeinung der belangten Kommission, eine Sendung sei (schon) dann "objektiv" im rundfunkrechtlichen Sinn, wenn sie nicht der "Überprüfung von Vorwürfen" diene, sondern nur mitteile, daß "es . . . Personen aus dem Bereich der FPÖ gibt, die Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer erheben".
Der Grundsatz der Objektivität verlangt jedenfalls, daß der Rundfunk die Möglichkeit zur Erwiderung auf derartige mediale Angriffe - von wem immer sie stammen mögen - unabdingbar gewährt. Eine Distanzierung des ORF von den (ungeprüften) Anschuldigungen enthält das Transkript nicht.
Wohl trifft es nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes an sich zu, daß der ORF eine "Gegendarstellung" kraft geltenden Rechts nicht zwingend bereits in der die Angriffe bringenden Fernsehdarbietung selbst vorsehen und gestatten muß, sondern unter Umständen auch in einer anderen (zeitlich und inhaltlich in gewisser Weise zusammenhängenden) Sendung ermöglichen kann. Handelt es sich - wie hier - um einen auf längere Sicht hin geplanten und vorbereiteten Magazin-Beitrag, der als Plattform für die Publizierung geballter Anschuldigungen gegen eine bestimmte Person dienen soll, ist die Möglichkeit zu einer derartigen Meinungsäußerung in Wahrung des gesetzlichen Objektivitätsgebotes aber in der Regel schon in ein- und derselben Rundfunk-(Magazin-)Sendung einzuräumen. Der Betroffene ist also auf andere Gelegenheiten zur Dartuung seines Standpunktes nur ganz ausnahmsweise zu verweisen, nämlich etwa dann, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalls eine wirksame und adäquate Wahrung seiner - durch den ORF berührten - Interessen sei es bereits vor der kritisierten Sendung erlaubten, sei es auch noch zu einem späteren Zeitpunkt erwarten ließen. Davon abgesehen, setzt eine "Gegendarstellung" des Angeschuldigten, wie sie der belangten Kommission vorzuschweben scheint, im allgemeinen die Kenntnis jener Sendung voraus, zu der Stellung genommen (auf die entgegnet) werden soll. Dem Beschwerdeführer waren die gebündelten Vorwürfe des Inlandsreport-Beitrags vom 23. Februar 1989 bei all den Sendungen, die nach den im Kommissionsverfahren ungeprüft gebliebenen Einlassungen der ORF-Organe für "Gegendarstellungen" zur Verfügung standen, vom zeitlichen Ablauf her wohl kaum bekannt.
Die belangte Kommission unterließ auch jegliche Ermittlungen darüber, ob eine "Gegendarstellung" im Fernsehen in geeigneter Form zeitgerecht angeboten und nur infolge Weigerung eines Beauftragten des Beschwerdeführers unterblieben sei.
Schlagworte
Rundfunk, Objektivitätsgebot (Rundfunk)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B1267.1989Dokumentnummer
JFR_10098991_89B01267_01