RS Vfgh 1990/10/9 G25/90, G26/90, G27/90, G28/90, G29/90, G30/90

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Veröffentlicht am 09.10.1990
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Index

50 Gewerberecht
50/02 Sonstiges Gewerberecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag B-VG Art140 Abs5 StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung ÖffnungszeitenG §2 Abs1 LadenschlußG siehe ÖffnungszeitenG (Titeländerung durch BGBl) Nr. 633a/1989.

Leitsatz

Zulässigkeit von Individualanträgen von Handelsgewerbetreibenden auf Aufhebung von Regelungen über das Offenhalten von Verkaufsstellen; kein anderer Weg zur Abwehr des Eingriffs in die Rechtssphäre; Aufhebung einer Bestimmung über die Öffnungszeiten wegen unverhältnismäßigen Eingriffs in die Erwerbsausübungsfreiheit; Übertragung der Disposition über die Verlängerung der Offenhaltezeit an den Landeshauptmann aufgrund einer Verordnungsermächtigung

Rechtssatz

Die Antragsteller sind als zur Ausübung von Handelsgewerben Berechtigte durch die von ihnen bekämpfte Vorschrift des §2 Abs1 ÖffnungszeitenG in ihrer Rechtssphäre direkt und aktuell betroffen (vgl. VfSlg. 11558/1987, VfGH vom 21.6.1989, G198, 234/88). Auch steht ihnen ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - verfassungswidrigen Eingriffs in ihre Rechtssphäre nicht zur Verfügung. Die Anträge sind daher - da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen - zulässig.

§2 Abs1 des Bundesgesetzes vom 9. Juli 1958 über die Ladenöffnungszeiten an Werktagen (ÖffnungszeitenG), BGBl. 156/1958 in der Fassung BGBl. 633a/1989 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Nun bewirkt die in Prüfung stehende Regelung, die sich von den Vorgängerbestimmungen nur dadurch unterscheidet, daß nunmehr alle Verkaufsstellen ab 18.30 Uhr geschlossen zu halten sind, während vordem die Abendsperre nur für Verkaufsstellen des Lebensmittelhandels mit diesem Zeitpunkt, im übrigen aber mit 18 Uhr festgelegt war, eine sehr weitgehende Beschränkung der Erwerbsausübung an Werktagen: Denn aufgrund dieser gesetzlichen Anordnung sind die Verkaufsstellen von Kleinhandelsbetrieben zur Abend- und zur Nachtzeit, also insgesamt in großem zeitlichen Ausmaß geschlossen zu halten.

Jedoch ermächtigt §2 Abs4 ÖffnungszeitenG (in ähnlicher Weise wie vordem §2 Abs5 LadenschlußG) den Landeshauptmann zur Verlängerung der zulässigen Offenhaltezeit um eine Stunde, "wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies erfordern." Freilich überträgt das Gesetz die Bewertung, wann die Nachfragestruktur die Verlängerung erfordert und damit die Disposition über die allfällige Verlängerung der Offenhaltezeit dem Landeshauptmann. Ein derartiger Eingriff ist - wie sich schon aus den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses VfSlg. 11558/1987 und aus den Erwägungen in VfGH vom 21.6.1989, G198, 234/88 ergibt, - nicht mehr adäquat, wenn die Entscheidung, ob der abendliche Ladenschluß der Nachfragesituation angepaßt werden darf - wie derzeit - einem Verwaltungsorgan übertragen wird.

Auch wenn der nunmehrige §3a ÖffnungszeitenG die Handelsgewerbetreibenden berechtigt, die Verkaufsstellen "entweder einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17 Uhr" offenzuhalten, vermag dies "angesichts dessen andersartiger und bloß beschränkter Gestaltungsermächtigung" nichts an diesem Ergebnis zu ändern.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner Auffassung, daß auch die angefochtene Regelung des Öffnungszeitengesetzes in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Erwerbsbetätigung unverhältnismäßig eingreift und daher als mit dieser Verfassungsbestimmung in Widerspruch stehend aufzuheben war.

Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle des §2 ÖffnungszeitenG gründet sich auf Art140 Abs5, 3. und 4. Satz B-VG. Dem Gerichtshof erschien es, da die verfassungsrechtliche Problematik schon seit dem Erkenntnis vom 21.6.1989 hinlänglich bekannt ist, ausreichend, den Ablauf der Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung mit 30. Juni 1991 zu bestimmen.

Entscheidungstexte

  • G 25-30/90
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 09.10.1990 G 25-30/90

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Gewerberecht, Ladenschluß, Erwerbsausübungsfreiheit, Adäquanzprinzip, VfGH / Fristsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:G25.1990

Dokumentnummer

JFR_10098991_90G00025_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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