RS Vfgh 1990/10/13 B1661/88

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Veröffentlicht am 13.10.1990
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt DSt 1872 §2 RL-BA 1977 §2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen der Androhung der gerichtlichen Geltendmachung einer erhöhten Kostenforderung im Falle der Nichtbezahlung des ursprünglich vereinbarten Honorars; gleichheitswidrige Verhängung einer Disziplinarstrafe wegen Androhung einer Ehrenbeleidigungsklage gegenüber einem Beamten; Anlaßfallwirkung der teilweisen Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Werbeverbots für Rechtsanwälte

Rechtssatz

Als Disziplinarverstoß lastet die belangte Behörde dem Beschwerdeführer an, daß er einen unzulässigen Druck auf seine Klienten ausgeübt habe, indem er seine Bereitschaft, sich mit dem ursprünglich in Rechnung gestellten Honorar zu begnügen, davon abhängig machte, daß gegen ihn keine Disziplinaranzeige erstattet werde, jedoch andernfalls die gerichtliche Geltendmachung erhöhter Kostenforderungen in Aussicht stellte und diese Androhung auch in die Tat umsetzte. Nur unter diesen Aspekten lastet die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zusätzlich an, daß er die Zahlung überhöhter Kosten von seinen Klienten und von deren Rechtsschutzversicherung forderte, weil - so die belangte Behörde - unter den gegebenen Umständen die Berechnung der Honorarforderung besonderer Genauigkeit bedurft hätte.

§2 RL-BA 1977 (zweiter und dritter Satz) gebietet dem Rechtsanwalt, nur solche Mittel anzuwenden, die mit Gesetz, Anstand und Sitte vereinbar sind, und verbietet ihm, Ansprüche mit unangemessener Härte zu verfolgen und sachlich nicht gerechtfertigte Druckmittel anzukündigen oder anzuwenden. Daß diese Standesregel im Gesetz keine Deckung finde, wird vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet. Der Verfassungsgerichtshof kann der belangten Behörde unter den Aspekten seines Prüfungsmaßstabes auf dem Boden dieser Standesauffassung nicht entgegentreten, wenn sie im festgestellten Sachverhalt die Verwirklichung eines Disziplinarvergehens erblickte.

Der angefochtene Bescheid, mit dem über den beschwerdeführenden Rechtsanwalt eine Disziplinarstrafe verhängt wurde, stützt sich ausschließlich auf die Ansicht, es müsse "von einem Rechtsanwalt verlangt werden, daß er sich gegenüber Behörden besonders in eigener Sache zurückhält und nur sachlich argumentiert". Ein mögliches Versehen des Beamten hätte daher mit der Androhung einer Ehrenbeleidigungsklage nicht beantwortet werden dürfen. Wenn die belangte Behörde damit die Auffassung vertritt, daß die Inanspruchnahme des Instituts der Privatanklage oder deren Ankündigung deshalb unsachlich und damit standeswidrig sei, weil sie von einem Rechtsanwalt ausgeht, ist dies gleichheitswidrig. Ob die Androhung einer Privatanklage durch einen Rechtsanwalt unsachlich ist oder zulässig und vertretbar, kann immer nur von den Umständen des Einzelfalles abhängen.

(siehe auch E v 27.09.90, B1660/88).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1661.1988

Dokumentnummer

JFR_10098987_88B01661_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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