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35 ZollrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Unmittelbare Anwendbarkeit einer Bestimmung des Subventionskodex; Gesetzwidrigkeit eines Teils einer Importausgleichsverordnung wegen Unterlassung des in dieser staatsvertraglichen Bestimmung zwingend vorgeschriebenen Untersuchungsverfahrens vor Vorschreibung und Einhebung eines AusgleichszollsRechtssatz
Eine Bestimmung eines Staatsvertrages ist dann unmittelbar anwendbar, wenn sie sich an die Rechtsunterworfenen oder an die Vollzugsorgane des Staates richtet.
Hingegen ermangeln Staatsverträge der unmittelbaren Anwendbarkeit, wenn sie objektiv oder aus den unten genannten subjektiven Gründen ungeeignet sind, unmittelbare Grundlage für einen Verwaltungsakt oder ein Urteil zu sein.
Wurde ein Beschluß iSd Art50 Abs2 B-VG (sog. "Erfüllungsvorbehalt") gefaßt, so ist der betreffende Staatsvertrag von vornherein nicht unmittelbar anwendbar.
Wurde anläßlich der Genehmigung des Abschlusses eines unter Art50 Abs1 B-VG fallenden Staatsvertrages ein Beschluß iS des Art50 Abs2 B-VG nicht gefaßt (sog. "generelle Transformation"), so kann dieses Vorgehen als Ausdruck der Auffassung gewertet werden, daß der betreffende Staatsvertrag zu seiner Anwendbarkeit keines weiteren Aktes der staatlichen Gesetzgebung bedarf, sei es, weil der Vertrag bzw. einzelne seiner Bestimmungen die objektive Eignung zur innerstaatlichen Anwendung aufweisen und daher zur Schaffung einer Grundlage für individuelle Akte der Vollziehung kein Gesetz erforderlich ist, sei es, weil die die Anwendbarkeit des Vertrages bzw. einzelner seiner Bestimmungen gewährleistenden gesetzlichen Regelungen bereits in Geltung sind.
Wird vom Nationalrat anläßlich der Genehmigung eines Staatsvertrags nach Art50 B-VG kein Erfüllungsvorbehalt beschlossen, so spricht das zunächst dafür, daß der Vertrag unmittelbar anzuwenden ist, was in der Lehre als Vermutung für die unmittelbare Anwendbarkeit bezeichnet wird.
Da der Nationalrat anläßlich der Genehmigung des Subventionskodex einen Vorbehalt iS des Art50 Abs2 B-VG nicht abgegeben hat, spricht zunächst die Vermutung für die unmittelbare Anwendbarkeit dieses Vertrags.
Im Anwendungsbereich des GeflügelwirtschaftsG ist die für die Durchführung eines Untersuchungsverfahrens (vor Vorschreibung und Einhebung eines Ausgleichszolls) zuständige Behörde der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft. Das ergibt eine zusammenschauende Interpretation des GeflügelwirtschaftsG und des Subventionskodex zwingend.
Ebenfalls aus einer zusammenschauenden Interpretation des §4 Abs3 GeflügelwirtschaftsG mit Art2 des Subventionskodex ergibt sich, daß das Untersuchungsverfahren des Art2 des Subventionskodex vor einer verordnungsmäßigen Festlegung der Erhöhung des Importausgleichs durchzuführen ist.
Wo die Regeln des Art2 des Subventionskodex dem zuständigen Bundesminister einen Entscheidungsspielraum einräumen, ist dieser - innerhalb der Grenzen der Sachlichkeit und bestehender gesetzlicher Regeln - in der Lage, eine ihm zweckmäßig erscheinende Vorgangsweise zu wählen.
Unbestrittenermaßen hat es der Bundesminister unterlassen, vor Erlassung der ImportausgleichsV 1985, aus der Art I ex 02.02 B lita in Prüfung genommen wurde, ein Untersuchungsverfahren nach Art2 des Subventionskodex durchzuführen. Die in Prüfung genommene Verordnungsstelle ist daher aus dem Grund ihres gesetzwidrigen Zustandekommens gesetzwidrig und war somit aufzuheben.
(ebenso hinsichtlich von Teilen der ImportausgleichsV 1987 E v 07.12.90, V76,77/90 und der Importausgleichsverordnungen v 08.04.86, 11.07.86, 09.12.86 E v 07.12.90, V79-83/90).
(Anlaßfälle: E v 14.12.90, B806/86, B952/86, B71/87, B361/87, B542/87, B1000/87, B1229/88, B1404/88 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide)
Schlagworte
Geflügelwirtschaft, Anwendbarkeit Staatsvertrag, Staatsverträge, Transformation (von Staatsverträgen), Auslegung zusammenschauende, Verordnungserlassung, ZollrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:V78.1990Dokumentnummer
JFR_10098870_90V00078_01