RS Vfgh 1990/12/1 V1/90

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Veröffentlicht am 01.12.1990
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Klaus vom 03.02.88 über die Festsetzung der Entschädigung des Bürgermeisters
Vlbg GdG
Vlbg GdG 1985 §28
Vlbg GdG 1985 §30 Abs1

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der rückwirkenden Inkraftsetzung einer Gemeindeverordnung über die Entschädigung für Bürgermeister mangels gesetzlicher Ermächtigung; Verordnungsqualität des angefochtenen Beschlusses der Gemeindevertretung; keine verschleierte Verfügung; keine Anwendung der Regelungen über die Befangenheit auf die Verordnungserlassung; Gebührlichkeit der fraglichen Entschädigung

Rechtssatz

Der Satz "Diese Verordnung tritt mit 1.1.1988 in Kraft." in der Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Klaus vom 03.02.88 über die Festsetzung der Entschädigung des Bürgermeisters, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Klaus in der Zeit von 22.02.88 bis 11.03.88, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Im übrigen wird dem Antrag keine Folge gegeben.

Der Beschluß der Gemeindevertretung trifft in Abänderung einer bestehenden generellen Regelung (Verordnung vom 03.07.85) hinsichtlich der dem (jeweiligen) Bürgermeister gebührenden Entschädigung eine bindende Teilregelung. Ein Beschluß dieses Inhaltes gestaltet, wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 8997/1980 mit Hinweis auf Vorjudikatur dargelegt hat, die Rechtslage einer bestimmten Kategorie von Gemeindefunktionären - hier: des Bürgermeisters - gegenüber der Gemeinde und weist inhaltlich jene Merkmale auf, die einen solchen Rechtsakt als Rechtsverordnung qualifizieren.

Der Beschluß besitzt die rechtliche Qualität einer Rechtsverordnung (keine - verfassungsrechtlich unzulässige - "verschleierte Verfügung in Verordnungsform"; vgl. dazu etwa VfSlg. 1685/1948, 3820/1960, 3859/1960).

Mit Rücksicht darauf, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die die Befangenheit von Gemeindeorganen regelnden Vorschriften des §28 Vlbg GdG für die Erlassung von Verordnungen nicht anzuwenden sind, erweist sich das Bedenken des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg, der angefochtene Beschluß der Gemeindevertretung sei wegen Befangenheit des an der Beschlußfassung mitwirkenden Bürgermeisters gesetzwidrig, schon aus diesem Grund als nicht begründet.

Der Verfassungsgerichtshof vermag auch das Bedenken des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg, die mit der angefochtenen Verordnung festgesetzte Entschädigung des Bürgermeisters sei nicht "angemessen" iS des §30 Abs1 erster Satz Vlbg GdG, nicht zu teilen.

Zwar findet sich in der angefochtenen Verordnung keine ausdrückliche Bestimmung über die Höhe der (Grund-)Entschädigung des Bürgermeisters. Aus dem Wortlaut dieser Verordnung ergibt sich jedoch klar, daß die verordnungserlassende Behörde davon ausging, daß eine derartige Entschädigung dem Bürgermeister - nach wie vor - gebührt.

Das Vlbg GdG enthält keine ausdrückliche Ermächtigung, Verordnungen der hier in Rede stehenden Art rückwirkend in Geltung zu setzen. Ebensowenig ist eine sonstige landesrechtliche Norm auffindbar, die eine derartige Ermächtigung enthielte.

Entscheidungstexte

  • V 1/90
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 01.12.1990 V 1/90

Schlagworte

Verordnungsbegriff, verschleierte Verfügung, Verordnungserlassung, Gemeinderecht Organe, Gemeinderat, Bürgermeister, Befangenheit, Entschädigung (Bürgermeister), Rückwirkung, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Verordnung (Gemeinde-)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:V1.1990

Dokumentnummer

JFR_10098799_90V00001_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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