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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Getränkesteuer als Verbrauchssteuer; Verletzung des Gleichheitssatzes durch die Annahme des Verbrauchs sämtlicher in einem Gemeindegebiet verkaufter Getränke innerhalb dieses Gebietes bei Vorschreibung der Getränkesteuer aufgrund der Nichterbringung von belegsmäßigen Nachweisen für den Außerortsverbrauch; Pflicht zur amtswegigen Ermittlung der materiellen WahrheitRechtssatz
Die Getränkesteuer ist eine Verbrauchssteuer (vgl. VfSlg. 2796/1955, 5088/1965, 8099/1977 und VfGH 05.10.88 B184/88); als solche unterliegt sie der verfassungsrechtlichen Schranke des §8 Abs4 F-VG, aus dem sich für die Getränkesteuer das Verbot ergibt, sie von Getränken zu erheben, die außerhalb der jeweiligen Gemeinden verbraucht werden.
Der Verfassungsgerichtshof hält es nicht für verfassungswidrig, wenn der Gesetzgeber von der Vermutung ausgeht, daß die entgeltliche Abgabe von Getränken in der Regel zum Zweck des Konsums innerhalb der Grenzen der betreffenden Gemeinde erfolgen wird (vgl. VfSlg. 2796/1955); auch darf er die Pflicht zur Führung eines Gegenbeweises den betroffenen Parteien auflasten, weil durch eine solche Beweislastregel weder die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit noch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung und der Unbeschränktheit der Beweismittel aufgehoben wird (vgl. VwGH 15.03.85, Z85/17/0033, 10.05.85, Z84/17/0211 (mH auf weitere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen und Literaturstellen), und 18.09.87, Z83/17/0206; VfSlg. 9816/1983).
Die Annahme des angefochtenen Bescheides, daß alle verkauften Getränke im Gemeindegebiet von Salzburg verbraucht wurden, könnte nur auf der Ansicht beruhen, daß die Behörde zufolge §1 Abs8 Sbg GetränkesteuerG jeglicher amtswegiger Ermittlungen enthoben ist, wenn der Steuerpflichtige nicht zweifelsfrei den Außerortsverbrauch nachweist. Hätte die genannte Bestimmung tatsächlich diesen Inhalt, dann wäre sie verfassungswidrig; denn eine solche Regelung würde in sachwidriger Weise vom Grundsatz der Pflicht zur Ermittlung der materiellen Wahrheit abweichen und im Effekt überdies die Getränkesteuer zu einer Verkehrssteuer machen.
Es hätte der belangten Behörde oblegen, neben Erhebungen über die Verwirklichung der die Abgabenpflicht begründenden Tatbestandselemente nach §1 Sbg GetränkesteuerG auch Erhebungen zur widerleglichen Vermutung des §1 Abs3 leg.cit. (daß als Verbrauch innerhalb des Gebietes der Landeshauptstadt Salzburg bereits die entgeltliche Abgabe von Getränken gelte) durchzuführen.
Die belangte Behörde ist bei Nichterbringung von belegsmäßigen Nachweisen ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, daß sämtliche von im Stadtgebiet Salzburg gelegenen Betrieben verkaufte Getränke auch im Stadtgebiet von Salzburg verbraucht wurden. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung anzunehmen, daß bei Verbrauchergroßmärkten in verkehrsgünstiger Lage und in einem vom Bescheid erfaßten Zeitraum von drei Jahren sämtliche verkauften Getränke im Stadtgebiet Salzburg konsumiert worden sein sollen.
Die Beschwerdeführerin ist daher durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Schlagworte
Getränkesteuer, Verkehrssteuer, Verbrauchsteuer, Finanzverfassung, Getränkesteuer Salzburg, Finanzverfahren, Ermittlungsverfahren AmtswegigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B987.1989Dokumentnummer
JFR_10098793_89B00987_01