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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung eines nachträglichen Abtretungsantrags als verspätetSpruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2004, B1431/03-8, wurde die Behandlung der gemeinsam von den nunmehrigen Antragstellern eingebrachten Beschwerde gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 26. August 2003, Zl. 3841/2003, abgelehnt; der Beschluss wurde dem Erstantragsteller, der zugleich Rechtsvertreter der Zweitantragstellerin ist, am 30. Juni 2004 zugestellt.
2. Die Antragsteller begehren nunmehr mit einem am 16. Juli 2004 zur Post gegebenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der für den nachträglichen Antrag auf Abtretung der Beschwerde in §87 Abs3 VfGG vorgesehenen Frist von zwei Wochen. Unter einem wird der Antrag auf Abtretung der Beschwerde (B1431/03) an den Verwaltungsgerichtshof gestellt.
2.1. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird ausgeführt:
"Im gegenständlichen Verfahren hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 21.6.2004, zu GZ B1431/03-8, den Vertretern der Beschwerdeführer zugestellt am 30.6.2004, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Die Vertreter der Beschwerdeführer führen Beschwerden standardmäßig dergestalt aus, dass sie den Antrag auf Abtretung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof im Falle der Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof bereits in der Beschwerde stellen. Dies hat die Zweitbeschwerdeführerin [die nunmehrige Zweitantragstellerin], die die Beschwerde ausarbeitete, jedoch trotz entsprechendem Hinweis unterlassen.
Die Kanzleileiterin Frau Birgit S, die ihre Arbeit stets gewissenhaft durchführt und sich bei der Fristverwaltung bislang kein Versäumnis zu Schulden kommen lassen hat, hat die Eintragung der Frist für die Antragstellung unterlassen und den Vertreter der Beschwerdeführer [den Erstantragsteller], Herrn Rechtsanwalt [es folgt der Name des Erstantragstellers] nur ohne Vorlage des Beschlusses selbst von der Tatsache der Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Kenntnis gesetzt und mit ihm nur besprochen, dass sie eine Kopie des Beschlusses über die Ablehnung an die Zweitbeschwerdeführerin übermitteln wird. [Der Erstantragsteller] hat dieser Vorgangsweise ohne weiteres zugestimmt, da er davon ausging, dass - wie sonst üblich - auf Grund entsprechender Antragstellung der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit diesem Beschluss unter einem bereits an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat. [Der Erstantragsteller] weist seine Mitarbeiter auch immer an, Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof als sogenannte 'Doppelbeschwerden' auszuführen. Dass dies überraschender Weise von der Zweitbeschwerdeführerin, die die Beschwerde ausführte, unterlassen wurde, gelangte ihm erst zur Kenntnis als ihn RA Dr. Heinz-Dietmar S von dem Fristversäumnis unterrichtete. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses war [die Zweitantragstellerin] nicht mehr in der Rechtsanwaltskanzlei der Vertreter der Beschwerdeführer tätig.
[Der Erstantragsteller] durfte auch davon ausgehen, dass die Antragstellung auf Abtretung bereits in der Beschwerde selbst erfolgt ist, da sich seine Kanzleimitarbeiter immer an seine Direktiven halten und ihm auch von [der Zweitantragstellerin] bis dato keine davon abweichende Vorgangsweise zur Kenntnis gelangte. Auch durfte er sich bei seiner langjährigen Kanzleimitarbeiterin Frau Birgit S auf eine ordnungsgemäße Fristenverwaltung verlassen, da diese von ihr immer zuverlässig durchgeführt wurde. [Dem Erstantragsteller] trifft damit kein Verschulden an der Fristversäumnis.
Auch Frau Birgit S trifft kein Verschulden an der Fristversäumnis, da sie sich auf die Einhaltung des üblichen Kanzleigebrauchs verlassen durfte, von dem überraschender Weise abgewichen wurde. Auch mussten sich für sie bei Durchsicht des Beschlusses keine Gründe ergeben, mit einem juristischen Mitarbeiter bezüglich Fristeintragung Rücksprache zu halten. Allenfalls liegt auf Grund der genannten Umstände ein minderer Grad des Versehens iSd §146 ZPO vor. Es handelt sich um eine Verkettung von unglücklichen Umständen und damit um höhere Gewalt.
Das unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis, das die Beschwerdeführer und ihre Vertreter an der rechtzeitigen Stellung des Antrags auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gehindert hat, ist mit Kenntnisnahme vom Fristversäumnis durch [den Erstantragsteller] am 16.7.2004 weg gefallen."
2.2. Dem Antrag liegen eidesstättige Erklärungen der genannten Kanzleiangestellten Birgit S und des in der Kanzlei beschäftigten Substituten RA Dr. Heinz-Dietmar S bei.
Dabei betonte die Kanzleiangestellte, dass die Abtretung der Beschwerde für den Fall ihrer Ablehnung oder Abweisung immer bereits in der Beschwerde selbst beantragt wurde, sodass die Abtretung immer "automatisch" erfolgt sei, ohne dass ihrerseits eine Veranlassung vorzunehmen gewesen wäre. Sie habe daher im gegenständlichen Fall schlichtweg übersehen, dass eigens ein Antrag auf Abtretung erforderlich sei. Ein derartiger Irrtum sei ihr bislang noch nicht unterlaufen.
Auch RA Dr. Heinz-Dietmar S bestätigte, dass in der Kanzlei des Erstantragstellers der Kanzleibrauch bestehe, in der Beschwerde bereits den Abtretungsantrag zu stellen. Er könne sich erinnern, dass er der Zweitantragstellerin im Zuge einer Erörterung des Falles empfohlen habe, auch hier diese Vorgangsweise zu wählen. Er habe sich aber in weiterer Folge mit der Beschwerdeführung nicht mehr näher beschäftigt. Es sei für ihn überraschend, dass die Kollegin keine "Doppelbeschwerde" abgefasst habe. Im Übrigen habe er im Laufe seiner Tätigkeit in dieser Rechtsanwaltskanzlei kein Versäumnis der Kanzleiangestellten Birgit S bei der Fristenverwaltung feststellen können.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen - Wiedereinsetzungsantrag erwogen:
1. Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. zB VfSlg. 9817/1983, 11706/1988, 14157/1995).
2. Im vorliegenden Fall kann von einem minderen Grad des Versehens jedoch nicht gesprochen werden: Im Zusammenhang mit der Einhaltung von Fristen und Terminen bedarf es eines Mindestmaßes an Sorgfalt sowie der Einrichtung einer möglichst effizienten Organisation, welche geeignet ist, Fristversäumungen zu verhindern (vgl. zB VfSlg. 14929/1997). Dieses Mindestmaß an Sorgfalt wurde hier jedoch nicht eingehalten:
Dem Erstantragsteller, der als Vertreter der Zweitantragstellerin gemeinsam mit ihr die zu B1431/03 protokollierte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht hat, hätte bereits anlässlich seines Unterzeichnens der nach dem Antragsvorbringen von der Zweitantragstellerin abgefassten Beschwerde auffallen müssen, dass die Beschwerde entgegen der "Kanzleidirektive" des Erstantragstellers, Abtretungsanträge immer schon in der Beschwerde nach Art144 B-VG zu stellen, keinen Abtretungsantrag enthalten hat. Schon damals hätten geeignete Vorkehrungen getroffen werden können, dass im Falle der Ablehnung bzw. der Abweisung der Beschwerde die Frist für einen Abtretungsantrag nicht versäumt wird. Um sich zu vergewissern, ob der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof tatsächlich abgetreten hat, hätte sich der Erstantragsteller jedenfalls - die Zweitantragstellerin war zum Zeitpunkt der Zustellung des Ablehnungsbeschlusses nicht mehr in dieser Kanzlei als Rechtsanwaltsanwärterin beschäftigt - den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs vorlegen lassen müssen. Durch die ungeprüfte Weiterleitung des Ablehnungsbeschlusses an die Zweitantragstellerin und die dadurch bewirkte Fristversäumnis, kann nicht davon gesprochen werden, dass die rechtzeitige Vornahme der in Rede stehenden Prozesshandlung durch ein unabwendbares Ereignis verhindert worden ist. Der Verfassungsgerichtshof vermag die Vorgehensweise des Erstantragstellers nicht mehr als leichte Fahrlässigkeit zu werten.
Der Antrag war daher mangels der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung abzuweisen (§35 VfGG iVm. §§146 ff. ZPO).
III. Der unter einem eingebrachte Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erweist sich demnach wegen Versäumung der ab Zustellung des Beschlusses über die Ablehnung der Beschwerdebehandlung an den Erstantragsteller zu berechnenden zweiwöchigen Frist (§87 Abs3 VfGG) als verspätet und ist somit zurückzuweisen.
IV. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
VfGH / Fristen, VfGH / Abtretung, VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1431.2003Dokumentnummer
JFT_09959072_03B01431_00