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41 Innere AngelegenheitenNorm
StGG Art8Leitsatz
Kein wirksamer Rechtsmittelverzicht bei ungerechtfertigtem Druck; keine wirksame Zustellung an den Beschwerdeführer bei rechtsfreundlicher Vertretung; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch die Festnahme und Anhaltung ohne vorangegangenen förmlichen Schubhaftbescheid mangels rechtswirksamer ZustellungRechtssatz
Hier kann angesichts der näheren Umstände der Vorgänge vom 09.05.90 (der Beschwerdeführer wurde aus der Haft vorgeführt und unterschrieb mit Aussicht auf Haftentlassung verschiedene Rechtsmittelverzichte sowie eine Kündigung der Vollmacht eines Rechtsanwalts; außerdem war er der deutschen Sprache nicht mächtig und es war kein Amtsdolmetsch anwesend) keinesfalls gesagt werden, der Beschwerdeführer habe die beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG rechtswirksam zurückgezogen (s VfSlg 11171/1986).
Die Behörde ging bei der Erlassung des Schubhaftbescheides von einem bestehenden Vertretungsverhältnis aus. Obwohl die Zustellung des Bescheides an die Anwälte mißlang, wurde der Beschwerdeführer festgenommen und angehalten. Dabei stützte sich die Behörde ausdrücklich auf §5 Abs1 FremdenpolizeiG idF BGBl. 190/1990: Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen, setzt aber nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zwingend voraus, daß sie durch einen Bescheid verfügt wurde. Im anderen Fall wird das Recht auf persönliche Freiheit verletzt (zB die auch nach der am 07.04.90 in Kraft getretenen Novelle BGBl. 190/1990 maßgebliche Entscheidung VfSlg. 8038/1977).
Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofs kann ein Bescheid, auch ein Schubhaftbescheid, an den Bescheidadressaten nicht wirksam zugestellt werden, wenn der Behörde bekannt ist, daß er in dieser Sache rechtsfreundlich vertreten ist. Nur die Übergabe einer Bescheidausfertigung an den Rechtsfreund bewirkt eine gültige Zustellung (VfSlg. 10.978/1986, 11.431/1987, insb.: 11.596/1988; ferner VfGH 03.10.88 B1274/88; 14.10.88 B1225/87), was jedoch hier nicht zutraf.
Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf persönliche Freiheit, da die Festnahme des Beschwerdeführers mangels eines vorangegangenen förmlichen Schubhaftbescheides nicht auf das FremdenpolizeiG (und auch auf keine andere Rechtsgrundlage) gestützt werden konnte (vgl. zB VfSlg. 9323/1982, 10.978/1986 und VfGH B v 14.10.88, B1225/87); gleiches gilt für die weitere Anhaltung.
Schlagworte
Verwaltungsverfahren, Berufung, Zustellung, Zustellbevollmächtigter, Fremdenpolizei, Schubhaft, Rechtsmittelverzicht, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, VfGH / ZurücknahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B508.1990Dokumentnummer
JFR_10089775_90B00508_2_01