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19 Völkerrechtliche VerträgeNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgteLeitsatz
Verletzung im Recht auf Unterlassung erniedrigender Behandlung durch Versetzen von Stößen auf rutschigem Boden bzw. Entkleiden des Oberkörpers einer Beschwerdeführerin; Zurückweisung der Beschwerden gegen sonstige, nicht erwiesene MißhandlungenRechtssatz
Nicht anzuzweifeln sind die Sachverhaltsdarstellungen der Beschwerdeführer insoweit, als sie Sicherheitswachebeamten, die im Stiegenhaus des Hauses 1060 Wien, Aegidigasse 13, postiert waren, das Versetzen von Stößen während des Hinabsteigens in das Erdgeschoß zur Last legen. Diese Stöße konnten den Umständen nach nur dazu dienen, die (keine Gewalt anwendenden) Betroffenen in eine Lage zu bringen, in der sie - auf dem rutschig-glatten Boden das Gleichgewicht verlierend - Gefahr liefen, vor den Füßen der Polizisten zu Boden zu stürzen.
Eine (iS des Waffengebrauchsgesetzes) unzulässige Anwendung von Körperkraft verstößt dann gegen das in Art3 MRK statuierte Verbot erniedrigender Behandlung, wenn darin eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck kommt. Das ist hier zufolge der Beschaffenheit und der Begleitumstände der bekämpften Gewaltakte (: sachlich ungerechtfertigte, im WaffengebrauchsG keine Deckung findende Stöße gegen - auf rutschigem Terrain befindliche - Personen, die dadurch (zwangsläufig) in Sturzgefahr geraten müssen) offenkundig der Fall.
Die Beschwerdeführerin E M wurde auch dadurch, daß sie sich im Verlauf der polizeilichen Amtshandlung von einem männlichen Wacheorgan sachlich vollkommen ungerechtfertigt und unter demütigenden Umständen den Oberkörper (durch Hochziehen des Pullovers) teilweise entkleiden lassen mußte, im Recht nach Art3 MRK verletzt.
Darüber hinaus behauptete Mißhandlungen verschiedener Art (Verwendung von Gummiknüppeln, gezieltes Bespritzen aus Wasserschläuchen) waren nicht mit Sicherheit erweislich. Insoweit waren die Beschwerden mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstands als unzulässig zurückzuweisen.
Ein Teil der beschwerdeführenden Parteien hatte sich auch gegen weitere (Amts-)Handlungen gewandt. In diesem Ausmaß wurden die Beschwerden mit Beschlüssen vom 07.03.90 zurückgewiesen. Angesichts des Gesamtergebnisses des nun vorliegenden Beschwerdeverfahrens (teils Stattgebung, teils Zurückweisung) war davon auszugehen, daß die beschwerdeführenden Parteien mit zwei Drittel ihres Begehrens obsiegten, die belangte Behörde dagegen mit einem Drittel. Es wurde den beschwerdeführenden Parteien daher in Aufrechnung des Kostenanspruchs der belangten Behörde ein Drittel ihrer Prozeßkosten zuerkannt. Soweit in einer Rechtshilfetagsatzung mehrere Beschwerdeführer gemeinsam durch einen Rechtsanwalt vertreten wurden, konnte nur der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag, zugesprochen werden.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, VfGH / Kosten, MißhandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B1605.1988Dokumentnummer
JFR_10089775_88B01605_01