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20 Privatrecht allgemeinLeitsatz
Feststellung der Gleichheitswidrigkeit einer Bestimmung in §754 Abs2 ABGB betreffend das gesetzliche Erbrecht eines minderjährigen unehelichen Kindes unter der Voraussetzung der Einbringung einer Vaterschaftsklage bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tod des Vaters; Ausschluß wesentlicher Gruppen von unehelichen Kindern vom ErbrechtRechtssatz
In §754 Abs2 ABGB idF des BG über die Neuordnung der Rechtsstellung des außerehelichen Kindes, BGBl Nr 342/1970, war der letzte Halbsatz -"; in diesem Falle genügt es, daß die Klage auf Feststellung spätestens zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Vaters erhoben worden ist" - gleichheitswidrig.
Der Gerichtshof geht davon aus, daß der Gesetzgeber berechtigt wäre, an den Tod des Vaters die Wirkung zu knüpfen, daß die nachfolgende Feststellung der Vaterschaft auf das Erbrecht ohne Einfluß bleibt.
Dieser Zeitpunkt kann aber nicht mit gleicher Wirkung einfach verschoben werden. Läßt der Gesetzgeber eine Vaterschaftsfeststellung mit erbrechtlichen Wirkungen auch nach dem Tod des Erblassers noch zu, so ist die Befristung dieser Möglichkeit nicht mehr auf all jene Gründe zu stützen, die für das Abschneiden erbrechtlicher Folgen mit dem Tod des Erblassers sprechen.
Es ist nicht grundsätzlich unsachlich, zwischen Kindern, denen die Einbringung einer Vaterschaftsklage bis zum Ablauf einer bestimmten Frist nach dem Tod ihres Vaters gelingt, und solchen zu unterscheiden, die zu spät kommen.
Die Grenze darf nur - ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung - übermäßige Verzögerungen hintanhalten und darf nicht wesentliche Gruppen unehelicher Kinder praktisch vom Erbrecht ausschließen.
Die gesetzte Jahresfrist ist für eine beachtliche Zahl von Fällen von vornherein zu kurz und bei dieser Kürze für eine andere Fallgruppe zu starr, weil die Frist nicht gehemmt wird, solange das Kind rechtlich oder faktisch an einer Klage gehindert ist. Dabei handelt es sich nicht um atypische Fälle, sondern gerade um Kernfälle jener Gruppe, die den Gesetzgeber zur Ausnahmeregelung für Minderjährige bewogen hat.
Der Ausschluß wesentlicher Gruppen von unehelichen Kindern ist auch nicht damit zu rechtfertigen, daß vielleicht die Jahresfrist eine äußerste Grenze für eine Blutfaktorenbestimmung an (exhumierten) Leichen darstellen könnte. Denn die Zahl der Fälle, in denen diese Grenze wegen der Art der Bestattung schon früher erreicht ist oder wegen vorhandener Daten bedeutungslos bleibt, ist keine vernachlässigbare Größe.
Schlagworte
Zivilrecht, Erbrecht, Kindschaftsrecht, uneheliches KindEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:G73.1990Dokumentnummer
JFR_10089772_90G00073_01