RS Vfgh 1991/3/5 G157/90, G289/90, G319/90

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Veröffentlicht am 05.03.1991
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
ASVG §98a

Leitsatz

Aufhebung verschiedener Bestimmungen über die Unpfändbarkeit verschiedener Sozialleistungen in §98a ASVG; keine sachliche Rechtfertigung für die Unpfändbarkeit von Krankengeld

Rechtssatz

§98a Abs1 bis 3 des ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in der Fassung der 34. Novelle, BGBl. Nr. 530/1979, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem entfallenden Arbeitseinkommen und dem Krankengeld.

Wenn ein erkrankter Arbeitnehmer mit einem Arbeitseinkommen in der Höhe von auch nur knapp über 50% seiner vollen Bezüge der Pfändung nach Maßgabe der §§5ff LohnpfändungsG ausgesetzt ist, kann der Bezieher des mit 50% oder 60% der Bemessungsgrundlage bemessenen Krankengeldes nicht in einer grundsätzlich anderen Lage sein. Damit steht fest, daß weder die geringe Höhe des Krankengeldes noch der vorübergehende Charakter des Krankengeldanspruchs eine pfändungsrechtliche Verschiedenbehandlung rechtfertigt. Es wird dadurch aber auch offenkundig, daß das Krankengeld nicht mit die Aufgabe hat, krankheitsbedingte Mehrbelastungen abzugelten. Dieser mögliche Rechtfertigungsgrund scheidet also gleichfalls aus. Im Ergebnis erweist sich mithin die Annahme der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der 17. Novelle und die daraus abgeleitete Meinung der Bundesregierung, daß nur ein "auf längere Sicht" oder gar "auf Dauer" an die Stelle des Arbeitseinkommens tretender Anspruch diesem gleich behandelt werden muß, als unrichtig. Die einer kurzzeitigen Verringerung des Arbeitseinkommens durch vorübergehenden Arbeitsplatzwechsel entsprechende kurzfristige Sozialversicherungsleistung darf unter diesen Umständen mangels maßgeblicher Unterschiede nicht anders behandelt werden als das geringere Arbeitseinkommen selbst.

Unter diesen Umständen ist es auch nicht mehr von Bedeutung, daß das Krankengeld immerhin bis zur Dauer von 26 Wochen gebührt (und durch die Satzung bis auf 78 Wochen erhöht werden kann; §139 ASVG), während das vom Gesetzgeber der Pfändung ausgelieferte Wochengeld demgegenüber bloß 16 Wochen und nur ganz ausnahmsweise länger gezahlt wird.

Daß schließlich weder der öffentlich-rechtliche Charakter der Sozialversicherungsleistungen noch der Umstand, daß sie von einer Riskengemeinschaft finanziert werden, eine unterschiedliche Behandlung des Verpflichteten im Verhältnis zu seinem Gläubiger rechtfertigt, ergibt schon die bisherige Rechtsprechung (vgl. auch E v 05.03.91, G77/90).

Zur Zulässigkeit dreier Gesetzesprüfungsanträge, die jeweils verschiedene Absätze des §98a ASVG umfassen.

Teilweise zulässig ist nur der letzte, §98a ASVG zur Gänze erfassende Antrag. Der im ersten und zweiten Antrag allein angefochtene Abs3 steht nämlich mit Abs1 und 2 in untrennbarem Zusammenhang. Eine bloße Aufhebung des Abs3 oder nur der Wendung "die nicht in Abs1 angeführten Geldleistungen" würde die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen. Es bliebe dann

die in Abs1 enthaltene Wendung "von den ... Geldleistungen können

... nur die nachstehend angeführten Bezüge ... gepfändet werden

..." mit gleichem Inhalt bestehen. Machen die vorgetragenen Bedenken aber auch die Prüfung des §98a Abs1 ASVG nötig, muß der sonst unverständlich bleibende Abs2 mit einbezogen werden. Nur Abs4, gegen den auch der dritte Antrag nichts vorbringt, kann selbständig bestehen bleiben und darf daher nicht mit in Prüfung gezogen werden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialversicherung, Exekutionsrecht, Pfändbarkeit (Krankengeld), VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:G157.1990

Dokumentnummer

JFR_10089695_90G00157_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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