RS Vfgh 1991/6/10 B642/90

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 10.06.1991
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art94
StGG Art18
RAO §2 Abs1
RAO §4
RAO §4 Abs3
RechtsanwaltsprüfungsG §6
RechtsanwaltsprüfungsG ArtIV Abs4

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Abweisung eines Ansuchens auf Zulassung zur Rechtsanwaltsprüfung und auf Befreiung von dieser hinsichtlich bestimmter Prüfungsgegenstände durch die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter; Zuständigkeit des Präsidenten des Oberlandesgerichts als Präses der Rechtsanwaltsprüfungskommission zur Entscheidung über ein solches Ansuchen; keine Weitergeltung der verfassungsrechtlich in Hinblick auf die Gewaltentrennung problematischen Vorschrift über die Berufungsmöglichkeit gegen eine solche Entscheidung an den OGH; keine Verfassungswidrigkeit des Erfordernisses eines Einvernehmens mit der Rechtsanwaltskammer bezüglich der Zulassung zur Prüfung; keine Willkür bei der Nichtanrechnung einer Konzipiententätigkeit im Ausland

Rechtssatz

Der Vorwurf, die belangte Behörde hätte die Unzuständigkeit des Präsidenten des Oberlandesgerichtes als Präses der Prüfungskommission zu Unrecht nicht wahrgenommen und dadurch den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, trifft nicht zu.

Der Wortlaut des ArtVI Abs4 RechtsanwaltsprüfungsG hat eindeutig nur den Inhalt und die Voraussetzungen für die Prüfung zum Gegenstand und betrifft auch nicht annähernd das Verfahren der Zulassung zu der Prüfung. Daß aber die Weitergeltung materiellrechtlicher Bestimmungen automatisch die Weitergeltung jener Verfahrensbestimmungen zur Folge hat, nach denen bisher der Bestand eines materiellen Anspruches geprüft worden ist, ist ein der Rechtsordnung fremder Gedanke. Nur wenn der Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet war, daß eine materiellrechtliche Übergangsbestimmung auch die Weitergeltung verfahrensrechtlicher Bestimmungen nach sich ziehen soll oder wenn die beiden Bestimmungen in einem derart engen Zusammenhang stehen, daß die Weitergeltung der einen ohne die Weitergeltung der anderen kaum denkbar ist, kann davon ausgegangen werden, daß ohne eine ausdrückliche Verlängerung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen die Verlängerung der Geltungsdauer der materiellrechtlichen Bestimmungen dazu führt, daß Ansprüche nach diesen Bestimmungen nach den bisherigen Verfahrensbestimmungen weiter behandelt werden müssen.

Die Einführung der Bestimmung des §4 Abs3 RAO hatte die Errichtung einer Überprüfung der Entscheidung einer Verwaltungsbehörde durch den Obersten Gerichtshof bewirkt, ein Zustand, der dem in der Bundesverfassung festgesetzten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung widerspricht. Die Regelung des §4 Abs3 RAO war daher verfassungsmäßig äußerst bedenklich, weshalb ihre Änderung dringend geboten erschien.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte in der Sache nicht selbst entscheiden, sondern die Rechtssache an die erste Instanz zurückverweisen müssen, ist aus der Sicht des behaupteten Grundrechtsverstoßes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter schon vom Ansatz her verfehlt. Die Auffassung, die erste Instanz hätte, wenn sie nicht irrigerweise der Ansicht gewesen wäre, daß sie mangels erzielbaren Einvernehmens mit der Rechtsanwaltskammer den Antrag abzuweisen habe, den Anträgen des Beschwerdeführers stattgegeben, ist rein spekulativer Natur und mündet letztlich darin, daß der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe ihm im Recht auf eine - von der Ansicht der belangten Behörde abweichende - erstinstanzliche Entscheidung verletzt.

Daß die belangte Behörde eine Konzipiententätigkeit des Beschwerdeführers bei einem Anwalt in Liechtenstein nicht als praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt im Sinne des §2 Abs1 RAO anerkannt hat, kann ihr weder als Willkür noch als denkunmögliche Gesetzesauslegung angelastet werden.

Ebensowenig kann der belangten Behörde der Vorwurf der Willkür oder einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung im Zusammenhang damit gemacht werden, daß sie die Eintragung des Beschwerdeführers in die Verteidigerliste nicht dafür als hinreichend erachtete, daß er auf dem Gebiet des Strafrechtes und des Strafprozeßrechtes keiner weiteren Ausbildung bedurft hätte. Dies deshalb, weil sich der Beruf eines Rechtsanwaltes wesentlich von der Stellung eines bloßen Verteidigers in Strafsachen abhebt (vgl. E v 11.06.90, B665/89).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Übergangsbestimmung, Behördenzuständigkeit, Instanzenzug, Gewaltentrennung, Rechtsanwaltsprüfung Zulassung, Einvernehmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B642.1990

Dokumentnummer

JFR_10089390_90B00642_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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