RS Vfgh 1991/6/14 G1/91

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Veröffentlicht am 14.06.1991
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6150 Weinbau

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Bgld WeinbauG 1980 §5
Bgld WeinbauG 1980 §5 idF der Nov LGBl 54/1987

Leitsatz

Eingriff in das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit durch das Verbot von Nachpflanzungen von Weinreben außerhalb von Weinbaufluren; Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung über das "Auspflanzen" auch hinsichtlich einer Nachpflanzung; Nachpflanzung vom Begriff "Auspflanzen" mitumfaßt; Maßgeblichkeit der Rechtslage zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Gesetzesprüfungsverfahren

Rechtssatz

In §5 des Gesetzes vom 09.10.80 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Weinbaues (Bgld WeinbauG 1980), Landesgesetzblatt für das Burgenland Nr. 38/1980 in der Fassung des Gesetzes LGBl. für das Burgenland Nr. 54/1987, waren das Wort "Nachpflanzen", im ersten Satz sowie der zweite Satz verfassungswidrig.

Die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen im Bgld WeinbauG 1980 ist gegeben. Der Begriff "Auspflanzen", wie er ua. im zweiten Satz des §5 Bgld WeinbauG 1980 verwendet wird, schließt auch das "Nachpflanzen" iS des §5 erster Satz dieses Gesetzes ein (so zB VwGH 7.5.1986, 86/18/0036; vgl. auch VwSlgNF 6974 A/1966). Der Spruch des angefochtenen Bescheides erfaßt daher durch die Verwendung des Begriffes "Auspflanzen" ("gesetzwidrig ausgepflanzte Rebpflanzungen") auch das "Nachpflanzen" von Weinreben. Somit hätte, da das "Nachpflanzen" von Weinreben unter das in §5 zweiter Satz Bgld WeinbauG 1980 normierte Verbot jeglichen "Auspflanzens" von Weinreben fällt, der Verfassungsgerichtshof den §5 Bgld WeinbauG 1980, soweit er das "Nachpflanzen" von Weinreben betrifft, und den mit dem ersten Satz untrennbar zusammenhängenden zweiten Satz dieser Bestimmung bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides anzuwenden.

Der Verfassungsgerichtshof hat den angefochtenen Bescheid an jener Rechtslage zu messen, von der die belangte Behörde bei dessen Erlassung auszugehen hatte, somit an der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Novelle LGBl. 45/1989. Er hat demnach die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des §5 Bgld WeinbauG 1980 ungeachtet dessen anzuwenden, daß sie seit dem 26.08.89 nicht mehr dem Rechtsbestand angehören (s. dazu etwa VfSlg. 4920/1965, 8253/1978; VfGH E v 04.03.89 G232,233/88).

Das in §5 Bgld WeinbauG 1980 festgelegte Verbot des Nachpflanzens von Weinreben außerhalb von Weinbaufluren findet auf gesetzmäßig bestehende Rebpflanzungen Anwendung. In diesem Verbot liegt eine erhebliche Beschränkung der Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit - des Weinbaues -, die unter besonderen Umständen, nämlich bei Ausfall des gesamten älteren Rebenbestandes eines Weinbautreibenden, dessen Weingärten zur Gänze außerhalb von Weinbaufluren iS des §1 des Bgld WeinbauG 1980 gelegen sind, sogar zur Aufgabe dieser Erwerbstätigkeit zwingen könnte.

Der Gesetzgeber erzwingt mit der gegenständlichen Regelung die flächenmäßige Einschränkung von Rebpflanzungen, deren Vorhandensein er zunächst offenkundig als nicht dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufend ansah und daher gestattete. Dazu kommt, daß diese Beschränkung dem betroffenen Weinbautreibenden allein auf Grund des Eintrittes von Umständen (nämlich des Ausfalles älterer Weinreben) auferlegt wird, die seinem Einfluß weitestgehend entzogen, von ihm aus eigener Kraft also nicht abzuwenden sind.

Selbst unter der Prämisse, daß die durch das Bgld WeinbauG 1980 vorgesehene flächenmäßige Beschränkung des Weinbaues auf behördlich festgelegte Weinbaufluren - etwa zur Gewährleistung bestmöglicher Weinqualität durch Beschränkung des Weinbaues auf jene Gebiete, die erfahrungsgemäß auf Grund von Klima, Lage und Bodenbeschaffenheit am besten für die Erzeugung von Qualitätswein geeignet sind - im öffentlichen Interesse gelegen sein sollte, muß der dargestellte Eingriff in die Freiheit der Erwerbsausübung als übermäßig belastend, daher als unverhältnismäßig und demnach nicht adäquat angesehen werden.

Entscheidungstexte

  • G 1/91
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 14.06.1991 G 1/91

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsgegenstand, Weinrecht, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Prüfungszeitpunkt, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:G1.1991

Dokumentnummer

JFR_10089386_91G00001_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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