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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Verletzung der Beschwerdeführer durch eine - auf einen Bekanntgabebescheid (betreffs Bekanntgabe der Bebauungsvorschriften) gestützte - Baubewilligung in ihren Rechten; Erlassung des Bekanntgabebescheides aufgrund einer vom VfGH als gesetzwidrig aufgehobenen Verordnung (Plandokument); Bekanntgabebescheid von Berufung gegen Baubewilligung mitumfaßtRechtssatz
Richtet sich die vom Nachbarn als Berufungswerber gegen die Baubewilligung in seinem Rechtsmittel geübte Kritik entweder ausdrücklich oder auch bloß der Sache nach gegen die bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen (etwa in der Weise, daß das den bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen zugrundeliegende Plandokument gesetzwidrig sei), so liegt hierin auch dann eine gegen den Bekanntgabebescheid gerichtete Berufung an die Baubehörde zweiter Instanz, wenn sich das in der Berufung enthaltene Anfechtungsbegehren anscheinend nur gegen die Baubewilligung richtet. Weist die Berufungsbehörde in einem solchen Fall die ausdrücklich zwar bloß gegen die Baubewilligung, nach den Intentionen des Rechtsmittelwerbers aber (auch) gegen den Inhalt des Bekanntgabebescheides gerichtete Berufung als unbegründet ab, so trifft sie damit eine für den die Berufung erhebenden Nachbarn in jeder Richtung negative Entscheidung; mit dieser hält sie nämlich sowohl den die Baubewilligung stützenden Bekanntgabebescheid als auch die auf diesen gegründete Baubewilligung aufrecht.
Der Bescheid, durch den die Bebauungsbestimmungen bekanntgegeben werden, verfolgt in erster Linie den Zweck, die zum Zeitpunkt seiner Erlassung aufgrund des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes bestehende generelle Rechtslage für den Einzelfall während eines bestimmten Zeitraumes gleichsam zu perpetuieren und dadurch eine gesicherte Grundlage für das gesamte Bauverfahren (also einschließlich eines allfälligen Rechtsmittelverfahrens) zu schaffen. Aus diesem Umstand folgt für die Berufungsbehörde, daß sie ihre Entscheidung über den bei ihr gemeinsam mit der Baubewilligung bekämpften Bekanntgabebescheid stets an jener generellen Rechtslage auszurichten hat, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bekanntgabebescheides durch den Magistrat bestand.
Die Bauoberbehörde für Wien hätte im Hinblick auf die Erlassung des hier maßgebenden Bescheides über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen am 18.04.85 die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs V25/87 (VfSlg. 11349/1987) für das Plandokument Nr 5820 herbeigeführte generelle Rechtslage beachten müssen: Die vom Verfassungsgerichtshof im Verordnungsprüfungsverfahren getroffene Feststellung, daß eine (nach der Lage der Verwaltungssache inhaltlich in Betracht kommende) Bestimmung dieser Verordnung bis zum Ablauf des 31.12.86 gesetzwidrig war, erfaßt nämlich auch den eben erwähnten Zeitpunkt der Erlassung des Bekanntgabebescheides. Da die Bauoberbehörde jedoch die bis zum Ablauf des 31.12.86 gesetzwidrige Verordnung anwendete, verletzte sie die Beschwerdeführer in deren Rechten, und zwar so, daß sich die Anwendung der Verordnungsstelle für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien offenkundig als nachteilig erweist.
Der angefochtene Bescheid war sohin aufzuheben.
(ebenso E v 15.06.91, B1298/88).
Schlagworte
Baurecht, Baubewilligung, Bekanntgabe der Bebauungsvorschriften, Berufung, Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage), Bindung (der Verwaltungsbehörden an VfGH), VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Anlaßfall, VerwaltungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B827.1988Dokumentnummer
JFR_10089385_88B00827_01