Index
L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Einstellung des Gesetzesprüfungsverfahrens zur Prüfung verschiedener Bestimmungen im Tir VergnügungssteuerG 1982 betreffs die Subsidiaritätshaftung des Eigentümers eines vermieteten Veranstaltungslokals für rückständige Vergnügungssteuer; fehlende Präjudizialität der Bestimmung bezüglich der Anmeldeverpflichtung für eine Veranstaltung bzw für die Aufstellung von Spielautomaten; verfassungskonforme Interpretation des Begriffs "Verfügungsberechtigter"Rechtssatz
Die von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Worte "... sowohl ..." und "als auch der Eigentümer der dazu benützten Räume oder Grundstücke oder der sonst hierüber Verfügungsberechtigte" im ersten Satz sowie des zweiten Satzes des §4 Abs3 und des dritten Absatzes des §23 des Tir VergnügungssteuerG 1982, LGBl. Nr. 60/1982 werden eingestellt.
In den zur Beurteilung anstehenden Verfahren geht es nicht um die Anmeldepflicht selbst, sondern bloß um die Haftung, die §23 Abs3 für die in §4 Abs3 und §18 Abs6 Tir VergnügungssteuerG 1982 genannten Personen anordnet; für den Fall, daß sich diese Haftung als verfassungswidrig erweisen würde, würde zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit jedenfalls die Aufhebung des sie anordnenden §23 Abs3 Tir VergnügungssteuerG 1982 genügen (wogegen eine Aufhebung der in Prüfung gezogenen Teile des §4 Abs3 allein die Bedenken des Gerichtshofs insgesamt nicht zerstreuen könnte). Wenngleich sich die Bedenken des Gerichtshofs gegen §23 Abs3 Tir VergnügungssteuerG 1982 teilweise nur aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen mit §4 Abs3 Tir VergnügungssteuerG 1982 (und gegebenenfalls §18 Abs6) ergeben, können sich auch diese Bedenken aus Anlaß der vorliegenden Beschwerdefälle nur gegen §23 Abs3 Tir VergnügungssteuerG 1982 richten. §4 Abs3 Tir VergnügungssteuerG 1982 ist folglich keinesfalls präjudiziell.
Aus Gründen verfassungskonformer Auslegung ist jener Auffassung der
Vorzug zu geben, die den Begriff "Verfügungsberechtigung" als
Beschreibung der tatsächlichen Möglichkeit versteht, eine
Veranstaltung zuzulassen oder nicht zuzulassen. Die Wortfolge
"Eigentümer ... oder ... sonst hierüber Verfügungsberechtigte" in
§4 Abs3 und §18 Abs6 Tir VergnügungssteuerG 1982 kann (arg.
"oder ... sonst") dahin verstanden werden, daß der Eigentümer nur
für den Fall verpflichtet ist, als nicht ein anderer die Sache in seiner unmittelbaren Gewahrsame hat. Da unstrittig ist, daß die zur Haftung Herangezogenen die Räume, in denen Spielapparate betrieben wurden, anderen Unternehmern zur Benützung für deren eigene Zwecke überlassen und damit die unmittelbare tatsächliche Herrschaft über die Sache aufgegeben hatten, unterstellt ihre Heranziehung zur Haftung dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt. Die Annahme, die Beschwerdeführer seien im Sinne der §4 Abs3 und §18 Abs6 Tir VergnügungssteuerG 1982 zur Anmeldung der Veranstaltung bzw. Aufstellung der Spielautomaten verpflichtet gewesen, liegt also nicht mehr im Auslegungsspielraum der Behörde, sondern ist schlechthin unvertretbar. Eine Anwendung der - unter dem Blickwinkel der fehlenden Begrenzung allerdings weiterhin bedenklichen - Haftungsbestimmung des §23 Abs3 Tir VergnügungssteuerG 1982 kommt folglich nicht in Betracht.
(Anlaßfälle B513/90, B1412/90 E v 28.06.91, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Haftung, Vergnügungssteuer, Spielautomaten, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:G86.1991Dokumentnummer
JFR_10089374_91G00086_01