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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 drittletzter (= zweiter) SatzLeitsatz
Zurückweisung der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; keine Überprüfbarkeit der behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens bei der Stimmenauszählung aufgrund unsubstantiierter MutmaßungenSpruch
Die Wahlanfechtung wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1.1. Am 7. März 2004 fanden die von der Tiroler Landesregierung mit Kundmachung vom 18. November 2003, LGBl. 2003/102, ausgeschriebenen Wahlen zum Gemeinderat der Gemeinden des Landes Tirol, darunter der Gemeinde Anras (Bezirk Lienz), statt.
1.1.2. Dieser Wahl lagen die von den folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachten, gemäß §45 Tiroler Gemeindewahlordnung 1994, LGBl. 88 idF LGBl. 2003/127, (im Folgenden: TGWO) abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge zu Grunde:
Liste 1: Anraser Heimatliste,
Liste 2: Bürgermeisterliste "Wir für Anras",
Liste 3: Bäuerliche Bevölkerung und Jugend,
Liste 4: Bürgerliste Anras.
1.1.3. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Anras vom 8. März 2004 wurden bei dieser Wahl insgesamt 814 gültige Stimmen abgegeben, 25 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet; es gelangten 13 Mandate zur Vergabe. Davon entfielen auf die
Anraser Heimatliste ......... 327 Stimmen, 6 Mandate,
Bürgermeisterliste
"Wir für Anras" ............. 284 Stimmen, 5 Mandate,
Bäuerliche
Bevölkerung und Jugend ...... 151 Stimmen, 2 Mandate,
Bürgerliste Anras ........... 52 Stimmen, 0 Mandate.
1.2. Mit ihrer am 5. April 2004 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrt die Bürgerliste Anras,
"der Verfassungsgerichtshof wolle in Stattgebung dieser Anfechtung das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Anras am 7.3.2004 vom Ermittlungsverfahren der Sprengelwahlbehörden an für nichtig erklären und als rechtswidrig aufheben."
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
"Bei der Gemeinderatswahl am 7.3.2004 hat nun die Wahlbehörde eine Reihe von Stimmzetteln zu Recht als gültig bzw. eine Reihe gültiger Stimmen für ungültig erklärt:
a) Im Wahlsprengel I wurden einerseits mehrere gültige Stimmen für die Anfechtungswerberin zu Unrecht als ungültig gewertet bzw. andererseits mehrere gültig für die Anfechtungswerberin abgegebene Stimmen anderen Wahllisten zugezählt.
b) Im Wahlsprengel III wurde zumindest eine Stimme, welche gültig für die Anfechtungswerberin abgegeben wurde, als ungültig gewertet und andererseits mehrere ungültige Stimmen als gültig anderen Wählergruppen zugezählt.
c) Grundsätzlich erfolgte die Auszählung der Stimmen aller drei Wahlsprengel unter großem Druck und sehr hektisch, sodass eine exakte Kontrolle bzw. eingehende Erörterung bei nicht eindeutig zuordenbaren Stimmzetteln de facto nicht erfolgte, weshalb die Wertung der Gültigkeit der Stimmzettel mit einer voraussichtlich relativ hohen Fehlerquote behaftet sein dürfte.
Diese Rechtswidrigkeiten waren auch tatsächlich für das Wahlergebnis von Einfluss, da es bei einer richtigen Wertung der Stimmen zu einem anderen Mandatsergebnis gekommen wäre.
Die Wahlzahl für ein Mandat betrug 55 Stimmen, für die Anfechtungswerberin wurden gem. Kundmachung 52 Stimmen als gültig gewertet, sodass also bereits drei weitere Stimmen für die Anfechtungswerberin die Zuweisung eines Mandates bedeuten würde. Die Anfechtungswerberin beantragt daher eine genaue Überprüfung hinsichtlich der Gültigkeit aller abgegebenen Stimmen in allen drei Wahlsprengeln."
1.3. Die Gemeindewahlbehörde legte die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen der Anfechtungswerberin entgegentritt und beantragt,
"der Verfassungsgerichtshof wolle die gegenständliche Anfechtung der Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Anras vom 07.03.2004 als unbegründet abweisen."
2. Die Wahlanfechtung ist unzulässig.
2.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10.610/1985, 13.018/1992). Nach Art141 Abs1 2. Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass er ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der - von einer Wählergruppe oder einem Wahlwerber - behaupteten Rechtswidrigkeiten zu überprüfen hat (vgl. VfSlg. 9441/1982 und die dort angeführte Vorjudikatur). Diese gerügten Rechtswidrigkeiten müssen in der Wahlanfechtungsschrift (selbst) ausreichend substantiiert sein (vgl. VfSlg. 15.695/1999 mwH).
Dies trifft hier nicht zu:
Die Behauptungen, dass die Sprengelwahlbehörde im Wahlsprengel I "einerseits mehrere gültige Stimmen für die Anfechtungswerberin zu Unrecht als ungültig gewertet bzw. andererseits mehrere gültig für die Anfechtungswerberin abgegebene Stimmen anderen Wahllisten zugezählt habe" und im Wahlsprengel III "zumindest eine Stimme, welche gültig für die Anfechtungswerberin abgegeben wurde, als ungültig gewertet und andererseits mehrere ungültige Stimmen als gültig anderen Wählergruppen zugezählt" worden seien, genügen als nicht näher substantiierte Mutmaßungen den gesetzlichen Erfordernissen einer Wahlanfechtung nicht (vgl. zB VfSlg. 14.556/1996 [S 711, 713, 715], 15.376/1998). Auch der nicht näher begründete Hinweis, dass angesichts der "unter großem Druck" und "sehr hektisch" erfolgten Auszählung "die Wertung der Gültigkeit der Stimmzettel [in allen drei Wahlsprengeln] mit einer voraussichtlich relativ hohen Fehlerquote behaftet sein dürfte", stellt keine dem Gesetz entsprechende Behauptung einer Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens dar (vgl. VfSlg. 9441/1982).
Das Anfechtungsvorbringen entzieht sich daher einer Beurteilung durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. VfSlg. 15.695/1999). Schon aus diesem Grund kommt auch die - von der anfechtenden Partei beantragte - "genaue Überprüfung hinsichtlich der Gültigkeit aller abgegebenen Stimmen in allen drei Wahlsprengeln" durch den Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht (vgl. VfSlg. 9441/1982).
2.3. Werden in einer Wahlanfechtung die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht ausreichend substantiiert, so liegt ein Prozesshindernis, also ein Zurückweisungsgrund, vor (vgl. VfSlg. 9441/1982).
Die Wahlanfechtung war daher zurückzuweisen.
2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Antrag, VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, StimmzettelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:WI3.2004Dokumentnummer
JFT_09959072_04W00I03_00